Wie fährt sich die Ente heute?
Citroën feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Klar, das man dieses Ereignis groß feiert. Zu den eher seltsamen Einfällen gehört die satirische Umbenennung der Marke in Deutschland zu "Zitrön", zu den besseren Ideen, uns Journalisten hinter das Steuer von legendären Modellen zu setzen. In der Tat hat Citroën einige automobile Helden auf die Räder gestellt, denken wir nur an Traction Avant oder DS. Doch ein Fahrzeug überstrahlt sie alle: der 2CV alias "Ente".
Dabei kann in ihrem Heimatland mit "Ente" kaum einer etwas anfangen. Das Wassertier setzte sich vor allem in Deutschland und den Niederlanden durch, in Frankreich und anderen romanischen Ländern sagt man in Anlehnung an den Modellnamen (2CV gleich 2 Steuer-PS) lieber "Deux Chevaux" ("Döschewo") und ähnliches.
Dabei ist die Herleitung vom hässlichen Entlein durchaus passend. In meiner Kindheit, es muss um 1986 gewesen sein, besaß die Mutter eines Schulfreundes einen Citroën 2CV "Dolly" in rot-weißer Lackierung. Doll fand ich das Auto nicht, eher seltsam und zudem nervig, wenn die Ente auf dem Weg zur Schule mal wieder nicht anspringen wollte. Zu dieser Zeit war der 2CV bereits gut vier Jahrzehnte auf dem Markt. Ein ladenneuer Oldtimer für unverbesserliche Nostalgiker.
Die Geschichte des 2CV reicht zurück in die Mitte der 1930er-Jahre: Citroën war gerade von Michelin übernommen worden und die neuen Bosse forderten ähnlich wie drüben in Deutschland eine Art "Volkswagen". Nur noch eine Nummer spartanischer.
Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter auf 100 km verbraucht. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht − so sollen die Anforderungen an den Konstrukteur André Lefèbvre gelautet haben.
Mit seiner geringen Geschwindigkeit, seiner einfachen Ausstattung und seinem kleinen Preis war das Toute Petite Voiture ("Ganz kleines Auto") ein Volksauto für Stadt und Land. 1939 war das TPV fertig und sollte noch im gleichen Jahr präsentiert werden. Aufgrund des Kriegsbeginns fand der Pariser Automobilsalon jedoch nicht statt; die 250 bereits gebauten Prototypen (siehe Foto) wurden verschrottet oder versteckt.
Im Nachhinein vielleicht gut so, wenn man sich solch ein Fahrzeug betrachtet. Die Ur-Ente hatte wirklich nur das an Bord, was die Gesetze vorschrieben. Etwa ein einziger Scheinwerfer, der später zentral auf der Haube thronte. Zumindest in Sachen 2CV kam der Krieg Citroën nicht ungelegen, denn der extrem spartanische TPV wäre wohl ein Flop geworden. Doch nun konnte man das Konzept noch einmal grundlegend modifizieren.
Enthüllt wurde der Citroën 2CV, ein im Vergleich zum TPV komplett überarbeitetes Modell, dann erst neun Jahre später, am 7. Oktober 1948, auf dem Pariser Automobilsalon. Der Legende nach war der damalige französische Staatspräsident von dem Anblick nicht sonderlich begeistert. Sein Volk musste anfangs bis zu sechs Jahre auf einen 2CV warten, der Grund war Rohstoffmangel. Der Beliebtheit tat es keinen Abbruch: Günstig in der Anschaffung und im Unterhalt, dazu vier Türen und relativ viel Platz. Das überzeugte vor allem die ländliche Kundschaft, für die der 2CV oft das erste Auto war.
Der neu entwickelte, luftgekühlte Zweizylinder-Boxermotor mit einem Hubraum von anfangs 375 Kubikzentimeter leistete 6,6 kW (9 PS) und war erstmals serienmäßig mit einem Viergang-Getriebe ausgerüstet. Es folgten zahlreiche weitere Entwicklungsstufen. Dabei hatte der ab 1970 in den Citroën 2CV6 eingebaute 602-Kubik-Motor zunächst 21 kW (28 PS). Bei allen Fahrzeugen war es möglich, den Motor mit Hilfe einer Kurbel zu starten.
Die erste Ausführung des Citroën 2CV mit 9 PS erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von rund 70 km/h. Die letzten Typen mit 29 PS Leistung schafften Spitzengeschwindigkeiten von 113 km/h. Die Ente ist damit eines der wenigen Fahrzeuge, deren Leistung der Basismotorisierung sich im Laufe der Entwicklungsstufen deutlich mehr als verdreifachte.
Kurbeln muss ich zum Glück nicht, denn "meine" Ente ist ein 2CV Spécial, den es ab 1978 gab. Doch solche Feinheiten waren ab Mitte der 1970er-Jahre eigentlich schon fast egal, da die Ente längst zur Antiquität und Auto für Nonkonformisten mutiert war.
Auch heute noch beeindruckt die Einfachheit der Ente: Papierdünne Türen, die mit Nachdruck geschlossen werden wollen. Sesselartiges Gestühl. Weiche Federung. Ein praktisch nicht existentes Armaturenbrett. Und schließlich die Revolverschaltung. Na gut, erst einmal dem französischen Enten-Papa an meiner Seite zugucken. Sieht eigentlich nicht so schwer aus. Dann wollen wir mal. KNARZ! Okay, noch einmal mit mehr Gefühl. Die Schaltstange etwas herausziehen, dann nach links drücken und weiter herausziehen. Voila, der erste Gang ist drin. Mit dem typischen Boxerklang fahre ich los, aus allen Poren des 2CV atmet Entschleunigung und Gelassenheit. Durchatmen, zweiter Gang. Die Stange zurückschieben, drin. Dritter Gang: Den Apparat gerade herausziehen. Geht doch. Den vierten Gang bemühe ich gar nicht erst, der elastische Zweizylinder wogt uns mit relativem dumpfen Klang durch die Straßen. Daran könnte ich mich gewöhnen, zumal mit geöffnetem Rolldach.
Leider hat der Rostteufel die meisten der rund 5,1 Millionen Enten vergiftet. (3.868.631 viertürige Limousinen und 1.246.335 Lieferwagen (Kastenente), um ganz genau zu sein.) Mittlerweile sind gute Citroën 2CV keine Sonderangebote für Studenten mehr, sondern kratzen an der 10.000-Euro-Marke. Doch dann hat man sie bereits nach allen Regeln der Kunst für ein langes Leben fit gemacht, beispielsweise mit einem verzinkten Chassis. Passend zur goldenen 2CV-Devise: Der Weg ist das Ziel.