Volvo stellt den V90 vor. Seine Heckscheibe steht lange nicht mehr so senkrecht wie beim Vorgänger V70, sieht eher nach Lifestyle als nach Kofferraum aus. Wie passt das in die sonstige Historie? Wir zeigen die Kombi-Geschichte der schwedischen Marke - oder zumindest Teile, denn wofür ist Volvo am bekanntesten (außer für Sicherheit)? Richtig, für Kombis, und deswegen gibt es davon eine ganze Menge.
Im Jahr 1953 startete der Duett oder offiziell PV445. Er wurde zum Stammvater aller Volvo-Kombis. Heute würde man ihn allerdings nicht als Kombi bezeichnen, sondern als Crossover. Denn für heutige Begriffe hat der ziemlich hohe Wagen auch etwas SUV-artiges.
Die Ursprünge des Duett lagen nicht im Gelände, sondern er war anfangs ein Klein-Lieferwagen. Woher der Name kommt? Nun, er sollte zwei Autos in einem darstellen: tagsüber Arbeitsgerät, abends und am Wochenende Familienwagen. Allerdings hatte das Auto keine Fondtüren - sowas würde heute niemand mehr als Familienauto anpreisen.
Neben dem hier gezeigten PV445DH gab es noch eine DS- und eine PH-Version. D stand für Duett, H für Herrgårdsvagn - das ist das schwedische Wort für Kombi. DS war eine Version ohne Seitenfenster, aber mit Fondbank (Skåpvagn) und PH für der Personherrgårdsvagn mit besserer Ausstattung.
Als Motoren dienten Reihen-Vierzylinder mit 40 bis 60 PS aus 1,4 bis 1,6 Liter Hubraum, dazu kam eine Dreigang-Stockschaltung. Hydraulische Trommelbremsen rundum stellten die Verzögerung sicher.
Der Duett war die Kombiversion des so genannten Buckelvolvo PV444 (Bild), doch anders als bei diesem war die Karosserie beim Duett nicht selbsttragend. Hinten hat der Wagen nutzfahrzeugtypische Blattfedern: gut für die Zuladung, schlecht für Magen und Rücken der Passagiere.
Der Duett wurde fast zwei Jahrzehnte produziert - wenn man den von 1960 bis 1965 produzierten P210 Duett (Bild) dazuzählt. Der basierte aber schon auf der Limousine PV544, dem Nachfolger des Buckel-Volvos. Wichtigstes Kennzeichen von P210 Duett und PV544 war die ungeteilte Frontscheibe.
1956 startete der Amazon. Die neue Mittelklasse-Baureihe von Volvo wurde außerhalb Schwedens als 120er-Reihe bezeichnet, da der Name Amazon von einem deutschen Zweiradhersteller geschützt war. Der Limousine folgte im Jahr 1962 der Kombi. Dem internen Kürzel P220 entspricht verwirrenderweise der Volvo 221 - so hieß das Modell offiziell.
Der Amazon sah deutlich eleganter und schicker aus als der Duett, obwohl er viel Kofferraum und eine Heckklappe statt der nutzfahrzeugtypischen Heckflügeltüren bot. Da war Platz für viel Gepäck - und den Hund.
Der Amazon hatte anders als der Duett auch Fondtüren, was den Kindern das Einsteigen erleichterte.
Mit dem Amazon legte Volvo den Grundstein seines Rufs als Hersteller besonders sicherer Autos. So war der Amazon mit dem PV544 das erste Auto mit serienmäßigen Dreipunktgurten auf den Vordersitzen. Aber auch die typische Kombi-Optik von Volvo ist hier erstmals zu bewundern. Sehen Sie sich nur dieses Heck mit dem sehr senkrecht stehenden Rückfenster an: So kastig waren seither die meisten Schweden-Kombis.
Die Ladeklappe war horizontal geteilt: Der untere Teil konnte nach unten, der obere nach oben geklappt werden. Wir Spätgeborenen kennen diese Art von Kofferraumklappe eher vom BMW X5 und vom ersten Volvo XC90.
Der Schneewittchensarg! Was für ein schönes Auto. Der legendäre Kombi ist eigentlich ein Shooting Brake, also ein Zwischending aus Coupé und Kombi. Der 1800 ES (oder P1800 ES) stammte vom Sportcoupé 1800 ab, das als Auto von Roger Moore (in seiner Rolle als Simon Templar) bekannt wurde.
Die Vorgabe für den ES war: Die neue Karosserievariante sollte Platz für eine Golfausrüstung haben. Denn so würde das Auto in den USA nicht mehr als Sportwagen gelten und käme in den Genuss von niedrigeren Steuern. In diesem seltenen Fall dürfen wir also einem Finanzminister dankbar sein.
Das Heck des Schneewitchensargs war lange nicht so senkrecht wie von Volvo-Kombis gewohnt. Insofern lehnt sich der neue V90 eher an dieses Modell als an Amazon und Konsorten an. Eine Besonderheit des ab 1971 hergestellten P1800 ES war die Heckklappe, die ganz aus Glas bestand. Heutzutage haben Kleinstwagen wie der Citroën C1 solche Kofferraumklappen.
Schon 1973, also nach nur zwei Jahren, kam das Aus für den P1800 ES. Die Produktion wurde eingestellt, da neue Sicherheitsvorschriften größere Stoßstangen verlangten. So wurden nur wenig mehr als 8.000 Stück vom Schneewittchensarg gebaut.
Die 140er-Baureihe wurde 1966 eingeführt. Es gab eine zweitürige Limousine (142), eine viertürige Limousine (144) und ab November 1967 den fünftürigen Kombi 145. Die zweite Ziffer gibt die Zylinderzahl an - es wurden ausschließlich Vierzylinder eingebaut - und die letzte Ziffer steht für die Zahl der Türen.
Der 145 wirkte ganz anders als der Schneewittchensarg: viel weniger elegant, dafür aber praktischer. Er war so eckig und kantig wie man die schwedischen Kombis kennt, und wie schon der Amazon Kombi aussah.
Der 145 übernahm (wie der Rest der 140er-Reihe) viel von anderen Volvo-Modellen. Vom Amazon stammten Fahrwerkskomponenten, der 1,8-Liter-Motor und Getriebeteile, der Radstand von 2,60 Meter wurde ebenfalls übernommen und erst später erhöht.
Ab 1968 profitiert die 140er-Reihe (wie der gleichzeitig weitergebaute Amazon) vom neuen 2,0-Liter-Motor, der hier zunächst 82 oder 100 PS leistet, weitere Leistungsstufen folgen. (Bild: Taxi von 1970)
Nach acht Jahren wurde der 140er im Jahr 1974 durch den 240er ersetzt, was optisch keinen großen Unterschied brachte. Doch der vordere Überhang war länger, was der passiven Sicherheit zugute kam. Die ersten Modelle hatten auch runde Scheinwerfer wie der Vorgänger.
Die Sicherheit wurde in den 70er-Jahren wichtiger. Als einer der ersten Hersteller führte Volvo im 240er eine Lenksäule mit Sollbruchstellen ein, der Tank wurde an besonders geschützter Stelle vor der Hinterachse eingebaut. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA verwendete die Baureihe als Referenzfahrzeug.
Analog zum Vorgänger gab es wieder den Zweitürer 242, den Viertürer 244 und den Kombi 245. Neu war, dass der Kombi auch mit Sechszylinder als 265 (Bild) angeboten wurde - beim 140er gab es das nur in der Limousine.
Ab 1979 erhielt der 240er eckige Scheinwerfer. 1981 wird der 245 durch einen Turbolader zu einem der schnellsten Kombis auf dem Markt. Er leistete 155 PS.
1978 debütiert der 245 T (für Transfer), eine Langversion, deren Dimensionen wahrhaft beeindruckend sind. Er maß 5,61 Meter, der Radstand lag bei 3,34 Meter. Übrigens: Die 240er-Reihe wurde fast 20 Jahre lang produziert - bis 1993.
Der 1986 gestartete Volvo 480 war ein technischer Meilenstein, ging er doch als erster Volvo mit Vorderradantrieb und quer eingebautem Vierzylinder in Serie. Erster Typ der neuen sportlichen Modellfamilie war der Volvo 480 ES. Mit seiner großen rahmenlosen Glasklappe am Heck nahm er das Designmerkmal des Schneewittchensargs wieder auf. Geschichte schrieb der Sportkombi auch als einziger Volvo mit Klappscheinwerfern. Der 480 wurde bis 1995 gebaut.
Von 1990 bis 1998 bot Volvo den 900er an. Die Bauklasse der oberen Mittelklasse bestand aus dem 940 und dem 960, wobei die kleinere Nummer für eine weniger umfangreiche Ausstattung und weniger starke Motoren stand. Die sonst übliche Unterscheidung in Vier- und Sechszylindermodelle stimmte nicht immer, es gab auch 960er mit Vierzylinder-Turbo. Die entsprechenden fünftürigen Kombis hießen nach bewährtem Muster 945 und 965.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der 960 nicht sehr von 245, zumindest von hinten. Da gibt es dieselbe eckige, kastenartige Form des Hecks, mit großen Fensterflächen für eine gute Rundumsicht.
1997 wurde der 960 durch den V90 abgelöst, die Limousine hieß S90 - genau wie in der kommenden Generation von Volvo-Modellen. Die Oberklasse-Baureihe stand für eine Zeitenwende im Volvo-Programm, denn sie waren die letzten Autos mit Frontmotor und Hinterradantrieb.
Mit dem V90 wurde nun auch bei den Kombis die neue, auch heute noch gebräuchliche Namensgebung eingeführt: S für Sedan (Limousine), V für Versatility (Vielseitigkeit, also Kombi), C für Coupé und Cabrio. Davon abgesehen, ähnelte der V90 stark dem Vorgänger 960. Schon 1998 endete die Produktion des V90.
Der Volvo 850 war eine frontgetriebene Mittelklasse-Baureihe, rangierte also unterhalb des 960/V90. Und er hatte Frontantrieb. Zuerst kam 1991 die Limousine, der Kombi folgte 1993 und Letzterer machte die Baureihe in Deutschland deutlich erfolgreicher. Als typischer Volvo hatte er ein sehr senkrecht abfallendes Heck zugunsten maximalen Stauraums.
Die Transportversion hatte als erster Volvo die markentypischen, senkrechten Rückleuchten. Eine weitere Neuheit waren die Seitenairbags: 1994 war der 850er das erste Auto mit diesem Sicherheitsmerkmal.
1995 wurde ein besonderes Highlight eingeführt: der T5-R. Sein Fünfzylindermotor mit Turbo hatte fast 250 PS. Die Sonderserie gab es nur in drei Farben: Gelb, Schwarz und Grün. Nachfolger des 850 Kombi wurde 1996 der V70, der agleichzeitig auch den höher positionierten V90 beerbte.
Auch als Rennauto machte der 850 Furore. Er startete 1994 bei der British Touring Car Championship als erster Kombi-Werksrennwagen. Der T5-R war das erste R-Modell von Volvo - noch heute tragen besonders sportliche Volvos den Beinamen R-Design.
V40, V60, die XC-Modelle: Wir könnten hier noch eine ganze Wele weitermachen mit den Volvo-Kombis. Aber es ist Zeit für den Neuen. Der heißt wieder V90 und hat ein Lifestyle-Heck. Das heißt, das Kofferraumvolumen gehört nicht zu den Top-Prioritäten, Design ist wichtiger. Die Basis des neuen V90 ist die gleiche wie beim XC90 und beim S90, daher werden auch hier nur Vierzylindermotoren eingebaut - und das Plug-in-Hybrid-System. Im Spätsommer 2016 kommt der V90 zu den Händlern, die Preise stehen noch nicht fest.