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VW Passat B2 (1980-1988): Klassiker der Zukunft?

Die klare Kante der Achtziger wird 40 Jahre alt

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Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die aber auch schon gut 20 Jahre, aber teilweise auch viel weniger auf dem Buckel haben.

Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer neuen Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.

Die zweite Generation des VW Passat hat 2020 ihren 40. Geburtstag gefeiert. Solch ein Satz mag nicht nur Sie erschrecken, sondern auch mich. Schließlich war es gefühlt erst vorgestern, als ich mich in die Garage schlich, um Vadderns neuen Passat Variant zu bewundern. Ein Modell kurz nach dem Facelift von 1985 mit 75 PS. In Kalahari-Beige-Metallic (Y4), was ich mir bis heute gemerkt habe. Und GL-Ausstattung mit Punktstreifen-Velours in "Saiga".

Klimaanlage? Elektrische Fensterheber? Zentralverriegelung? Überflüssig, mondän und sowieso viel zu teuer, befand mein Erziehungsberechtigter. Beim Preis hatte er aber durchaus recht, denn ein Passat war kein Schnäppchen wie diese neumodischen Japaner. Ziemlich genau 23.000 Mark kostete im November 1985 ein Passat Variant GL mit 75 PS, 480 Mark die Metallic-Lackierung.

Deftig wurde es bei der Klimaanlage mit 2.202 DM, vier Fensterheber kamen mit 1.454 DM kaum günstiger. Servolenkung? 1.186 Mark! Immerhin gönnte sich mein audiophiler Vater (und Walkman-Liebhaber) das Stereo-Cassettenradio "Gamma" für 795 Mark. Eine Cassette habe ich ihn dort nie reinschieben sehen ... 

Aber so war der Autokauf in den 1980ern: Kombi statt SUV, Barzahlung statt Leasing und jedes Extra wurde sorgfältig abgewogen. Speziell bei VW, wo Autos vom Band liefen, die so zweckmäßig waren wie ein Ideal-Standard-Waschbecken. Andererseits hatte der Passat-Prospekt von 1985 schon recht: "Ein echter Publikumsliebling kann nur einer sein, der vielen Leuten gefällt und vielen Ansprüchen gerecht wird. Hier ist einer: der Passat Variant."

Wohl wahr, schließlich baute VW zwischen 1980 und 1988 über 3,3 Millionen Passat in Deutschland. Und danach ging es im Ausland noch bis ins 21. Jahrhundert weiter. Aber der Reihe nach: Der Passat B2 (intern Typ 32B) folgte im Wesentlichen dem technischen Konzept des VW Passat B1. Die zweite Generation des Passat wuchs gegenüber dem Vorgänger B1 deutlich in den Außenabmessungen: Er übertraf als Kombi den Vorgänger in der Länge um fast 30 Zentimeter, in der Breite um sieben Zentimeter.

Zum Start bestand die Motorenpalette im Längseinbau aus bekannten Aggregaten, aber auch Neulingen: Drei Vierzylinder-Ottomotoren mit 1,3 Liter (55 PS) respektive 1,6 Liter Hubraum (75 PS sowie 85 PS), dazu ein Fünfzylinder-Ottomotor mit 1,9 Liter Hubraum (115 PS) und einen 1,6-Liter-Diesel mit 54 PS. Die Basismotoren waren VW-Konstruktionen; die Fünfzylinder stammten von Audi. Spitzenmotorisierung war später ein 2,2 Liter mit 136 PS.

Den Saugdiesel testeten die Kollegen der "Auto, Motor und Sport" im Mai 1981. Kraftstoff war teuer geworden, weshalb es den Benziner-Passat auch als "Formel E" gab, doch dazu später mehr. Beim Diesel (102 Nm bei 2.000 U/min) lobte man den geringen Verbrauch von 6,8 Liter im Schnitt, das niedrige Innengeräusch und das großzügige Raumangebot. Kritik gab es für das starke Nageln im Kaltstart und den hohen Preis. 18.000 DM plus Aufpreise für Servolenkung, Zentralverriegelung und sogar für eine Verbundglas-Frontscheibe. 

Erstaunlich mutet heute die Formulierung "vollschlank" für den gerade einmal 1.043 Kilogramm schweren Passat Diesel an. Zu Recht wurden hingegen vor fast 40 Jahren die Beschleunigungszeiten als "ziemlich bescheiden" charakterisiert: 21,3 Sekunden auf Tempo 100 und gar 37,7 Sekunden (!) auf 120 km/h stempeln den selbstzündenden Passat zur Wanderdüne.

Bei der Lektüre stolpert der moderne Autojournalist über noch mehr: Die Länge von 4,29 Meter ist heute Golf-Format, der Variant brachte es auf 4,42 Meter, bot aber dennoch 560 Liter Kofferraum. Und ein Fahrzeug mit Reifen im Format 165 SR 13 gibt es heute praktisch nicht mehr.

Wie haben Familien das damals nur ohne SUV-Panzerung ausgehalten? Es ging, kann ich ihnen verraten. Sogar sehr gut. Bis auf das Handtuch auf dem Fahrersitz bei der Fahrt in den Sommerurlaub. Keine Klimaanlage, Sie wissen schon.

Anfangs wurde mit dem 75 PS starken 1,6-Liter-Benziner auch die Variante Formel E (Economy) angeboten. Sie hatte, neben dem sogenannten "4+E-Getriebe" mit lang übersetztem 5. Gang, aerodynamische Maßnahmen zur Senkung des Luftwiderstandes sowie optimierte Reifen mit niedrigem Rollwiderstand. Mit dem Stopp-Start-System sollte der Kraftstoffverbrauch zusätzlich gesenkt werden: Im Wischerhebel war eine Taste angebracht, über die der Motor abgestellt wurde. Wurde nach Betätigung der Kupplung das Gaspedal gedrückt, sprang der Motor wieder an.

Im August 1982 präsentierte Volkswagen einen Dieselmotor mit Abgasturbolader. Er war mit 15,6 Sekunden und 70 PS deutlich flotter. 1984 kam der allradangetriebene Passat Variant Syncro hinzu, quasi der Audi 80 Avant quattro, den es damals noch nicht gab.

Der Allrad-Passat, intern Typ 32B-299 genannt, wurde im Herbst 1984 unter der Bezeichnung Syncro vorgestellt. Er basierte auf dem quattro-System von Audi und der zur IAA 1983 vorgestellten Studie Passat Variant Tetra.

Es wurden über ein sperrbares Mitteldifferential permanent alle vier Räder angetrieben, mit einer Drehmomentverteilung von 50 Prozent vorn und 50 Prozent hinten bei ungesperrtem Mitteldifferential. Das Heckdifferenzial war ebenfalls sperrbar. Die Syncro-Modelle gab es nur als Variant, zunächst ausschließlich mit GT-Ausstattung und den 5-Zylinder-Katalysator-Motoren mit 2,0 und 2,2 Liter, ab 1985 auch in der Basisversion C mit 90 PS.

Die am weitesten verbreitete Variante beim VW Passat war damals wie heute der fünftürige Kombi (Verkaufsbezeichnung Variant). Außerdem gab es den Passat drei- und fünftürig mit Fließheck und die Stufenhecklimousine Santana.

Im Januar 1985 nahm VW ein Facelift am Passat vor. Zu den Kennzeichen dieser Überarbeitung gehören voluminösere, um die Ecken bis zu den Radkästen geführte Stoßfänger und ein gröber verrippter Frontgrill.

Ferner wurden Retuschen an den Nebelscheinwerfern und im Innenraum vorgenommen und es gab neue Rückleuchten am Fließheck sowie eine eingeklebte statt einer mit Gummi befestigten Heckscheibe. Die dreitürige Limousine entfiel. Außerdem wurde der Santana zum Passat (Stufenheck) umbenannt und erhielt auch dessen Front.

Am 31. März 1988 kam das Produktionsende, wobei die Allrad-Variante (Syncro) noch bis Juli 1988 vom Band lief. Genau 3.345.248 Fahrzeuge liefen in in den VW-Werken Emden und Brüssel vom Band. Insgesamt wurde der Passat B2 über 4,5 Millionen Mal gebaut.

Denn er machte Karriere rund um den Globus: So lief er auch in China, Mexiko, Südamerika und Südafrika vom Band. In den USA verkaufte VW ihn als "Quantum", in Mexiko als "Corsar" und in Argentinien als "Carat". ("Carat" war hierzulande ein Passat in edler Ausstattung.)

In Brasilien wurde der Variant zum "Quantum" und die gesamte Passat-Baureihe sogar zu einem Ford: Mit leichten Karosserieänderungen gab es sie als Ford Versailles (Stufenheck) oder Ford Royale (Kombi). Der Ford Royale war auch als zweitüriger Kombi erhältlich. 

Im Laufe der Jahre wurden bei allen nach 1992 in Südamerika hergestellten Versionen Änderungen an der Technik und am Erscheinungsbild vorgenommen, so dass sie zum Schluss dem ab Ende 1993 in Deutschland produzierten Passat B4 ähnelten.

In China wurde auch eine Version des stark geänderten brasilianischen Santana mit längerem Radstand hergestellt, wobei der Bereich zwischen B- und C-Säule verlängert wurde. Diese Version nannte sich Santana 2000 (bis Februar 2003), Santana 3000 (ab März 2003) und Santana Vista (ab Ende 2007). Das Modell wurde bis Ende 2012 produziert und erhielt dann einen speziell für den chinesischen Markt entwickelten Nachfolger.

Was wohl aus dem väterlichen Passat wurde? 1991 wich er dem grilllosen Nachfolgemodell, es blieb aber beim Variant. Vielleicht hat ja jemand sachdienliche Hinweise zu SU-PV 908 (PV stand tatsächlich für "Passat Variant", der Händler war kreativ) in Kalaharibeige-Metallic.  

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