Der Komfortmeister kann nicht überall überzeugen
Zumindest für die nächsten paar Jahre (bis Elektro endgültig die Weltherrschaft an sich reißt) ziemlich sicher wieder der meistgekaufte Mercedes des Planeten. War bei der ersten Generation GLC so, wird auch hier so sein. Zumindest, wenn der Neue, der X254, es nicht völlig an die Wand fährt. Und so viel kann ich hier schon mal spoilern - er tut es nicht.
Generation Zwei hat ihren Vorgänger nicht in den Mixer gesteckt, durchgekaut und wieder ausgespuckt, das wirkt schon alles noch sehr vertraut. Etwas eleganter und schnittiger vielleicht, aber Experimente macht man woanders.
Mit 4,72 Meter ist er sechs Zentimeter länger geraten. Dazu ist er vier Millimeter flacher. Die Breite bleibt mit 1,89 Meter gleich. Der Radstand wächst um 15 mm auf 2,89 Meter. Der cW-Wert sinkt von 0,31 auf 0,29. Unten drunter ist die C-Klasse auf Stelzen ziemlich viel - naja - C-Klasse eben. Vierlenker-Achse vorne, Raumlenker-Achse hinten mit dezent gesteigerten Spurweiten. Im Falle unseres Testwagens war noch Kapazität für ein Luftfahrwerk und die Hinterradlenkung, die mit Winkeln bis zu 4,5 Grad unterstützt und den Wendekreis auf sehr gern genommene 10,9 Meter reduziert.
Auch im GLC herrscht inzwischen strikter Vierzylinder-Zwang. Unser GLC 300 4Matic darf sich mit seinen 258 PS/400 Nm damit rühmen, der stärkste Benziner im Programm zu sein. Zumindest, wenn man die beiden Plug-in-Hybride 300e (313 PS) und 400e (381 PS) dezent unter den Teppich kehrt. Der 300er hat, wie die drei restlichen reinen Verbrenner, ein 48-Volt-Mildhybrid-System an Bord, welches mit bis zu 23 PS boosten kann.
Innen erinnert das alles ebenfalls recht stark an die aktuelle C-Klasse. Inklusive des mittlerweile üblichen Benz-Chics mit XL-Display knapp über der Mittelkonsole, fancy Holzdekor mit Yacht-esken Streifen, viel Klavierlack (schon mal die Vorratspackung Microfaser-Tücher vorbestellen) und so gut wie keinen traditionellen Knöpfen und Schaltern mehr.
Die Preise für den GLC 300, der gemäß seines Hubraums eher GLC 199 heißen sollte, starten bei 68.240 Euro. Ein vergleichbarer BMW X3 xDrive 30i mit 245 PS kostet ab 63.400 Euro. Unser Testwagen inklusive AMG- und Premium-Plus-Paket, den genannten Fahrwerks-Features, Panoramadach, Burmester-3D-Surround-Soundsystem, Fahrassistenz-Paket Plus - sprich: mit so ziemlich allem, was die Liste hergibt - brachte es letztlich auf 89.336 Euro. Ei, ei, ei.
Man könnte jetzt sagen: "Aaaah herrlich, das ist Mercedes-Komfort, wie er die Marke groß gemacht hat. Wie ihn nur der Daimler kann!" Man könnte aber auch einfach sagen: "Herrschaftszeiten, ist dieses Auto weich." Um dem Ganzen etwas mehr Tiefe zu geben: Der luftfedernde GLC sänftet in einem Ausmaß, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Mit allem, was dazu gehört. Also er wabert schon wirklich ganz schön übers Geläuf, schwingt nach, schaukelt auf.
Dafür schwebt er aber auch über die Autobahn, als hätte man ihn in einem Kokon gepackt, der obendrein noch großzügig mit Watte und Luftpolsterfolie ummantelt wurde.
Was leider gar nicht zu dieser Prachtentfaltung der Behaglichkeit passt, ist eine Eigenheit, die nur auf einem heftigen Disput zwischen Luftfeder und Hinterradlenkung basieren kann. Wenn man nämlich einlenkt und dabei über eine kleine Unebenheit (Ausfahrt, Schlagloch et cetera) hinwegschlenzt, geht irgendwas relativ schief und es fühlt sich an, als würde das kurveninnere Hinterrad unter einem förmlich wegknicken. Man merkt es auch im Lenkrad. Ein kurzer Moment des Versetzens und der Unsouveränität. Seltsames Gefühl. Kannte ich so bisher nicht, könnte man sicher nochmal nachbessern.
Bei allem feudalen Gegleite muss man den GLC-Fahrwerksspezis aber durchaus hoch anrechnen, dass sie hier eine sehr ambivalente Fahrperformance kreiert haben. Zwingt man das Auto nämlich mal etwas forcierter in eine Biegung, reißt sich der gediegene Herr gehörig am Riemen, spannt die lateralen Bauchmuskeln an und zieht schön neutral, ohne Murren, mit sehr guter Führung durch. Passt.
Da braucht es den Sport-Modus gar nicht, den man links unter dem großen Touchscreen zusammen mit drei weiteren Modi einstellen kann. Er pumpt doch arg viel Blut in die Waden, macht das Auto eher hoppelig. Zudem wird die Lenkung so fest, dass man teils das Gefühl hat, irgendjemand hätte gerade die Lenkradsperre aktiviert. Kann man sich sparen. Wer ein Performance-SUV will, kauft wohl keinen GLC 300. Die AMGs (43 und 63) kommen ja bald.
Ja gut, der normale Verbrenner hat es zunehmend schwerer bei Mercedes. Das liegt vor allem daran, dass man die Plug-in-Hybride zuletzt so massiv aufgebohrt hat. Sowohl die beiden Benziner- als auch der Diesel-PHEV liefern nun gut 100 Kilometer elektrische Reichweite. Und das ist kein schicker Wert für den Prospekt: Diverse Tests haben bereits gezeigt, dass das funktioniert. Der Aufpreis für den 300e mit 313 PS liegt bei etwa 3.000 Euro. Die Förderung ist nun halt weg, die Steuervorteile für Firmenwagen bleiben aber. Da wird der Zulassungsmix auf jeden Fall spannend bleiben.
Vor allen Dingen, weil der 300er mit seinem 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo einen sehr passablen, aber eben auch keinen überragenden Job macht. Schnell ist er ja, keine Frage. Die 0-100 km/h schafft er in 6,2 Sekunden und maximal sind 246 km/h drin.
Fühlt es sich so an? Hmmmmmh .. weiß nicht. Die Zahlen werden auf dem Tacho schon sehr schnell größer, auch jenseits von 100, 140, 160. Aber er klingt dabei halt immer etwas angestrengt. Der Vortrieb passt nicht ganz zu den Manieren. Da hat der 245-PS-Vierzylinder aus den 30er-Modellen von BMW mehr Charakterstärke und Körper.
Bei Reisegeschwindigkeit wiederum ist das Aggregat sehr angenehm, sehr zurückhaltend und natürlich immer mehr als kräftig genug. Mercedes gibt den WLTP-Verbrauch mit 7,4 Liter an. Unser Testverbrauch über gut 1.100 Kilometer lag letztlich bei 9,6 Liter, wobei hier auch eine nächtliche 200 Kilometer-Autobahnetappe dabei war, wo eher 160 bis 180 gefahren wurde. Eine 8 vor dem Komma sollte also durchaus drin sein.
Da ist er alles in allem schon stark, der GLC. Besitzer des Vorgängers dürften sich relativ schnell zurecht finden. Der Touchscreen ist nun halt deutlich größer. Und er wirkt harmonischer ins Gesamtbild integriert. Was schon bei der C-Klasse ein wenig enttäuscht: Alle Materialien, die man direkt sieht, anfasst et Cetera sind traumhaft schön und qualitativ gut. Alles, was man nicht sofort sieht (unterer Teil der Türen oder des Armaturenbretts) weniger. Das war beim Vorgänger besser.
Und die Bedienung? Das unsägliche Touchpad in der Mittelkonsole ist Geschichte, jetzt wird nur noch mit den Fingern gearbeitet. Oder eben mit der zuvorkommenden Dame gequatscht, die irgendwo in den Untiefen des MBUX-Systems wohnt. Wir fragen uns ja häufiger, ob es wirklich viele Menschen gibt, die permanent ihr Auto vollquasseln wollen, aber man muss hier gerade den Herrschaften von Mercedes auch mal zur Hilfe eilen - die Sprachbedienung ist inzwischen eine Schau. Im Test absolut schnell und fehlerfrei.
Gleiches kann man über den Infotainmentscreen sagen. Tolle Grafiken, sehr zügige Arbeitsweise und in der Handhabung logisch. Dass die Klimabedienung inzwischen auch im Bildschirm gelandet ist, stört hier tatsächlich gar nicht, denn erstens ist die Temperaturverstellung immer zu sehen/groß genug und zweitens ist der Rest des Klimamenüs mit einem Knopfdruck parat und sehr gut aufgebaut.
Mir wäre ein Dreh-Drück-Steller trotzdem ganz recht gewesen. Touchbedienung lenkt einfach mehr ab und die kapazitiven Wischflächen auf dem Lenkrad sind auch hier, was sie schon immer waren: In der Praxis größtenteils ein Ärgernis, wie zum Beispiel bei der Lautstärke-Regelung, die so zum Glücksspiel mutiert.
Sehr gut hingegen: Das Platzangebot im Fond. Hinter mir selbst (1,85 Meter) war für meine Beine und meinen Scheitel großzügig Platz. Noch besser: Mit der neuen Generation ist das Kofferraumvolumen um stattliche 70 auf 620 Liter angewachsen. Legt man alles um, schluckt der GLC 1.640 Liter. Das ist über dem Klassendurchschnitt. Schön zudem: Unter dem Kofferraumboden befindet sich ein überraschend gewaltiges Fach, das auch genug Tiefe besitzt, um wirklich nützlich zu sein.
Definitiv ein Punkt, der für die reinen Verbrenner spricht, denn bei den Plug-in-Hybriden sinkt das Volumen im Heck auf 400 Liter. Außerdem schrumpft die Zuladung von 585 auf 485 Kilo.
Ein Wort noch zu den Sitzen in Reihe Eins: Sie gehören ausdrücklich gelobt, das haben sie sich allemal verdient. Nicht weich, aber sehr bequem gepolstert und ergonomisch top. Mein Rücken ist ein hinterhältiges Biest und es gibt genügend Autos, wo man mich nach spätestens zwei Stunden zum Entkrampfen auf den Rastplatz schicken musst. Hier waren auch 5 Stunden Fahrt am Stück kein Problem.
Auch beim neuen GLC bleibt sich der Benz in seiner Benzness treu. Gerade mit der Luftfederung ist dieses Auto ein Komfort- und Reisemonster. Wer Sportlichkeit sucht, sollte woanders schauen.
Trotz reiner Touchbedienung funktioniert das Interieur im Großen und Ganzen sehr gut. Der Komfort ist auch hier eine ganz klar Stärke des Autos. Genau wie die Optik und das Platzangebot.
Der Antrieb fällt im Gesamtkonstrukt GLC 300 ein wenig ab. Er ist absolut in Ordnung, aber eben auch nicht mehr. Da lohnt sich dann eventuell doch ein Blick auf die neue Generation der Plug-in-Hybride.
Letztlich ist der GLC ein guter, technologisch führender Allrounder, der sich sehr nahtlos in das Leben seiner Besitzer einfügen wird. Aber eben auch typische Mercedes: das mehr als knackige Preisschild.