Wenn Bochum ein Auto wäre - das Äußere lenkt ab! Die inneren Werte überwiegen
In unserer Redaktion waren wir uns ziemlich einig: Schön isser jetzt nicht unbedingt. Aber Schönheit liegt auch im Auge des Betrachters. Ich wohne beispielsweise in einer Stadt, zu der deren populärster ehemalige Bürger folgendes zu sagen hatte: "Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau. Du liebst dich ohne Schminke. Bist 'ne ehrliche Haut. Leider total verbaut. Aber gerade das macht dich aus!"
Ja, Schönheit ist Definitionssache. Schönheit gibt es auch abseits von Normen. Aber vielleicht haben wir mit dem Hyundai Bayon hier ein Auto vor der Tür stehen, das Bochum in seinem Kern gar nicht mal so unähnlich ist. Auch wenn das Bild von der grauen Malocherstadt aus den 1980er-Jahren längst überholt ist. Mit Vorurteilen haben demnach vermutlich sowohl Bayon als auch Bochum zu kämpfen. Und sie teilen sich den Anfangsbuchstaben ...
Also schauen wir genauer drauf: 2021 wurde der Hyundai Bayon als Crossover-SUV auf i20-Basis zwischen dem Kompakten und dem Kona etabliert. Wobei "etabliert" hier eher als "etablieren wollen" zu verstehen ist. Zulassungen 2024 in Deutschland: Bayon (4.428), i20 (11.886), Kona (13.613).
Er ist mit 4,18 Metern das kleinste SUV oder Crossover in der Hyundai-Palette (den vollelektrischen Inster mal ausgenommen) und kommt immer mit einem 1,0-Liter-Turbo-Dreizylinder und 74 kW (100 PS). Und vielleicht haben wir hier eines seiner Probleme: Zu wenig Antriebs-Auswahl? Aber gerade das macht ihn aus!
Schnelle DatenHyundai Bayon Trend (2025)Antrieb1.0 T-GDI, Dreizylinder-BenzinerGetriebe6-Gang-SchaltgetriebeLeistung / Drehmoment74 kW (100 PS) / 172 NmBeschleunigung11,3 SekundenHöchstgeschwindigkeit179 km/hCO2-Emission (WLTP)125 g/kmVerbrauch (WLTP)5,5 LiterBasispreisab 22.900 Euro
Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Preiseund Konkurrenz | Fazit
Lustigerweise sieht der Bayon von vorne aus wie ein Kona und von hinten wie eine Mischung aus i20 und Kona, nur eben knapp 20 Zentimeter kürzer, flacher und dem Boden näher als sein größerer SUV-Bruder. Ich persönlich würde ihn nicht mal als Crossover-SUV bezeichnen. Der Bayon ist eher ein i20 Country light oder Kona Mini ... oder ein i20 mit Kona-Karosse?
Und vielleicht erkennen Sie jetzt das optische Dilemma. Er irritiert - ist vielleicht zu wenig eigenständig. Auch ganz unabhängig des Designs. Nicht tief genug, um als Kompakt-PKW zu gelten, nicht hoch genug, um wenigstens als Crossover durchzugehen. Die 16-Zoll-Felgen füllen zudem kaum die wuchtig verkleideten Radkästen aus, was dem Bayon einen etwas hemdsärmeligen Look verleiht.
Besteht jedoch eine Vorliebe für Lichtbänder, Ecken, Rundungen, Kanten und etlichen Kniffen im Karosseriekleid, kann der Bayon durchaus gefallen, wie ich irritierenderweise im Freundeskreis feststellte. Wie zuvor gesagt, Geschmäcker sind verschieden! Viel los ist jedenfalls auf dem Blech des Bayons.
Die lang und flach abfallende Dachlinie wirkt hingegen dynamisch - durch die angedeutete Dachreling tatsächlich noch einmal stärker als bei seinem i20-Plattformbruder. Und genau das hat Bochum mit dem Bayon gemein. Alle stürzen sich auf das Offensichtliche, die einstige Herkunft, statt Eigenheiten und Vorteile hervorzuheben.
Dabei wissen wir doch alle: die inneren Werte zählen! Und hier punktet der Hyundai Bayon mit einem soliden Gepäckraum, der von 411 Liter auf ganze 1.205 Liter beim Umklappen der Rücksitzbank erweitert werden kann. In Bochum-Maßeinheit sind das 2.410 0,5-Liter-Flaschen Fiege-Bier - genug also, um bei einigen Leuten den Spieltag des VfL komplett auszulöschen. Damit liegt er im Bereich eines VW Taigo (440-1.222) - obwohl knappe 10 Zentimeter kürzer. Zudem ist die Ladekante für ein SUV angenehm flach. Hier kommt dem Koreaner also sein zaghafter SUV-Auftritt zugute.
Flach ... oder eher tief ... ist auch die Sitzhöhe. Ungewohnt weit nach unten kann der Fahrersitz geschraubt werden, was zu einem fast schon hot-hatchigen Fahrgefühl beiträgt - gefällt! Eines der Alleinstellungsmerkmale, das den Bayon vom Klein-SUV-Rest und deren Mittagstisch-Sitzposition abhebt. Wer es also klassischer mag, sitzt hier richtig. Zudem das Gestühl sowohl vorne als auch hinten bequem erscheint - bei meiner Körpergröße von 1,76 Meter ist ausreichende Kopf- und Beinfreiheit auch im Fond garantiert.
AbmessungenHyundai Bayon Trend (2025)Länge x Breite x Höhe4.180 x 1.775 x 1.500 mmRadstand2.580 mmKofferraumvolumen411 - 1.205 LiterLeergewicht1.170 - 1280 kgZuladung350 - 430 kgMax. Anhängelast910 kgMax Stützlast75 kg
Wer einmal Platz nimmt, schaut auf gut verarbeitete und robuste Hartplastik-Optik - dem Automotive-Äquivalent zum Brutalismus der in den 1960er-Jahren gebauten Ruhr-Universität. Allerdings sorgen handfeste physische Bedienungseinheiten für direkten Funktionszugang. Denn auch der Bayon gönnt sich Hyundai-klassisch viele Taster, Knöpfe, eine losgelöste Klimaeinheit und ein gesondertes Infotainment-Menü unterhalb des Bildschirms.
Ebenfalls gibt es die Möglichkeit, sich am Lenkrad eine Favoritentaste individuell zu belegen. Der Konzern-bekannte Short-Cut muss bei mir regelmäßig für den direkten Weg zu den Fahrassistenten herhalten, um das sensible akustische Signal abzuschalten. Denn auch im Bayon liegt der Geschwindigkeitsassistent des Öfteren falsch.
Allerdings braucht das 10,3-Zoll fassende Infotainment in diesem Fall einige Gedenksekunden, bis es den gewünschten Bildschirm aufruft. Wer manuell durch die Menüs wischt, muss nicht ganz so geduldig sein. Für die wichtigsten Informationen hält der Hyundai Bayon ein individuell anpassbares Kombiinstrument bereit.
So, jetzt aber die Füße auf der Alu-Pedal-Optik platziert und ab dafür! Die Kupplung des Hyundai Bayon greift recht ruppig zu, der Turbo-Dreizylinder will wohl los. Dieser Ruck bleibt auch im zweiten und dritten Gang erhalten. Es braucht Muße, hier den perfekten Schaltzeitpunkt zu finden. Allerdings war unser Testwagen mit unter 2.000 gelaufenen Kilometern noch taufrisch. Die Ruppigkeit könnte demnach mit der Zeit etwas abnehmen.
Das ändert jedoch nichts an dem Fakt, dass das zwangsbeatmete 1,0-Liter-Aggreagt den kleinen Kompakten recht drehfreudig und fix antreibt. Wenn auch in hohen Drehzahlen mit keifender Tonlage - der Pulsschlag aus Stahl! Bei einem überschaubaren Gewicht von etwa 1.200 Kilo, reichen die vorhandenen 100 PS und 172 Nm für den Normgebrauch vollkommen aus.
Abgerundet wird das Fahrverhalten von einem agil ausgerichteten Fahrwerk. Hier kommt die i20-DNA klarer zum Vorschein als eine Verwandtschaft zum großen Bruder Kona. Der Bayon nimmt Kurven freudig und wendig - gerade im Sport-Modus kann das Crossover-Erscheinungsbild gedanklich durchaus schonmal durch den Starlight Express ersetzt werden. Und auch bei Geschwindigkeiten über 100 wirkt das Durchzugsvermögen nicht derart zäh, wie es das Datenblatt suggeriert.
Allerdings erreichten wir im Test die angegebenen 5,5 Liter Durchschnittsverbrauch nur auf entspannter Autobahnfahrt. Der Mix aus Stadt, Land und Autobahn forderte eher 6,4 Liter. Vielleicht ist an 0,1 bis 0,3 Litern mehr das überraschend spritzige Fahrverhalten nicht ganz unschuldig.
Ebenfalls erfreulich: die kompakten Außenmaße werden von einem guten visuellen Überblick begleitet, trotz üppiger C-Säule. Eine Einparkhilfe für vorne und hinten ist demnach nicht zwingend notwendig (Rückfahrkamera und Einparkhilfe hinten sind Serie). Seit langem rangierte ich mal wieder komplett ohne Blick auf den Bildschirm bei einem Neuwagen.
Der Hyundai Bayon startet in der Basisausstattung Select bei 22.900 Euro als Schalter. Wer ein Automatikgetriebe will, legt mit einem Mindestpreis von 27.000 Euro ordentlich oben drauf. Die Top-Ausstattung Prime kostet als Schalter 27.800 Euro und mit Automatik 29.600 Euro. Unser Testwagen kam als Trend, den es ab 25.200 Euro gibt, lediglich mit Komfortpaket. 2021 lag der Einstieg für den Turbobenziner noch bei 19.990 Euro. Im Rahmen der jetzt inklusiven Assistenten ein okayer Anstieg.
Der VW Taigo ist derzeit für 22.865 Euro zwar günstiger aber nicht vergleichsweise ausgestattet zu haben. Der knackt zudem auch die 4,20 Meter - ebenso wie der Renault Captur ab 23.250 Euro (4,24 Meter). Der Opel Mokka fällt zwar nur drei Zentimeter kürzer aus, ist mit 26.740 Euro aber um einiges teurer.
Am ehesten Konkurrenz macht dem Bayon der Seat Arona ab 21.480 Euro bei 4,15 Metern. Konzernintern gäbe es noch den Kia Stonic, der ab 22.490 Euro bei einer Länge von 4,14 Metern losgeht. Noch kürzer und günstiger geht es im Crossover-Segment fast nur mit dem Dacia Sandero Stepway ab 14.850 Euro (4,10 Meter).
Bochum ist nicht nur Bergmannsnostalgie, Starlight Express, Grönemeyer und VfL. Genauso wenig wie der Hyundai Bayon nur ein kleiner Kona ist. Der Blick hinter die Fassade lohnt: Ein günstiger und gut ausgestatteter Einstieg begleitet ein vital wendiges Fahrverhalten auf klassischem Kompakt-Niveau. Allerdings kommt der drehfreudige Spaß mit einem Verbrauch jenseits der sechs Liter, den Hyundai-typisch nervös agierenden Assistenten und einer Konzern-untypischen langsamen Software.
Wer also von einigen Vorteilen des Crossovers profitieren, aber nicht gleich am Küchentisch sitzen will, sollte dem Underdog dringend eine Chance geben. Ein bescheidenes, unauffälliges Auto, das viel besser ist, als man glaubt.