Gerade einmal 374 der Luxusdampfer wurden in 23 Jahren gebaut
Seit seiner Gründung im Jahr 1904 baut Rolls-Royce rollende Fahrgestelle, auf denen die Kunden Karosserien bei einem unabhängigen Karosseriebauer in Auftrag geben können. In den 1960er-Jahren produzierte die Marke ihre ersten Fahrzeuge mit selbsttragender Karosserie, bietet aber bis in die 1980er Jahre weiterhin rollende Fahrgestelle an.
Der Phantom VI ist ab 1968 der letzte Rolls-Royce, der in dieser Form angeboten wurde. Wem damals selbst ein Mercedes 600 zu profan erscheint, greift zu dem mächtigen Briten-Palast auf Rädern. In Übereinstimmung mit der von Sir Henry Royce selbst eingeführten Rolls-Royce-Praxis entsteht der Phantom VI aus den Upgrades und Verbesserungen seines Vorgängers Phantom V.
Die kumulierten Verbesserungen erreichen einen Punkt, an dem die Rolls-Royce-Ingenieure ihn für ausreichend weiterentwickelt halten, um eine neue Bezeichnung zu verdienen. Indes: Selbst für Markenkenner ist es schwer, Phantom V und VI optisch auseinanderzuhalten.
Zudem fühlt sich der Phantom VI bereits wie ein Anachronismus an. Die Kunden des Phantom V können die Karosserie noch von vier großen Namen wählen: H. J. Mulliner, Park Ward, Hoopers und James Young. 1961 schließen die beiden letztgenannten ihre Pforten, während Rolls-Royce die beiden anderen aufkauft und zusammenlegt, um eine eigene Karosseriefirma zu gründen, die unter dem Namen H. J. Mulliner Park Ward bekannt wird und die Karosserien für praktisch alle Phantom VI liefert.
Wie alle Rolls-Royce Modelle erfährt auch der Phantom VI im Laufe seines Lebenszyklus verschiedene Änderungen, darunter ein leistungsstärkerer 6,75-Liter-V8-Motor und ein modernes Drei-Gang-Automatikgetriebe, das die ursprüngliche Vier-Gang-Version aus der Silver Cloud-Ära ersetzt. Außerdem verfügt er über speziell entwickelte Bremsen, die die Hochdruckhydraulik im Stil des Silver Shadow plus zwei Hauptbremszylinder nutzen.
Die geänderten Sicherheitsvorschriften verlangen nach vorne öffnende Türen mit aufprallsicheren Schlössern, bündig abschließenden Türgriffen und einer Lenksäule, die bei einem Aufprall zusammenklappt.
Neue Crashtest-Protokolle bedeuten auch, dass der Prototyp des Phantom VI, PRH1500, die Demütigung erleidet, mit 30 mph (48 km/h) in einen 100 Tonnen schweren Betonblock zu krachen - ein Test, den er so mühelos besteht, dass er anschließend wieder aufgebaut wird und noch heute bei einem Schweizer Hotel im Einsatz ist.
Obwohl der Karosseriebau inzwischen selbst für Rolls-Royce ein Nischenangebot ist, stellt der Phantom VI ein passendes "letztes Hurra" für dieses traditionsreiche Handwerk dar. Die sieben "Special Limousines", die den Codenamen "Alpha" tragen, ähneln oberflächlich gesehen den anderen Phantom VI, doch bei näherer Betrachtung entdeckt man breitere, verchromte Fensterverkleidungen und 16-Zoll-Räder mit Reifen, die auf 90 psi aufgepumpt sind.
Diese Modifikationen sind erforderlich, um das 5 mm dicke Glas und die 7 mm dicke Panzerung unterzubringen, die den hinteren Fahrgastraum sowohl kugel- als auch bombensicher machen. Für den glücklosen Chauffeur wird jedoch keine solche Vorkehrung getroffen.
Der Phantom VI ist auch der letzte Rolls-Royce, der sowohl eine Sedanca de Ville als auch eine Landaulette-Karosserie bietet. Die Landaulette ist entweder an der B-Säule oder über dem Rücksitz zu öffnen, wobei die letztere Variante die Wahl von Queen Mum ist.
Ihre Tochter, Königin Elisabeth II., besitzt zwei Phantom VI. Der erste mit dem Codenamen "Oil Barrel", weist ein um 13 cm erhöhtes Dach und eine Plexiglas-Heckkuppel auf, die schnell durch eine zweiteilige, schwarz lackierte Aluminiumkuppel abgedeckt werden können, wenn die Insassen Privatsphäre brauchen. Der zweite, im Juli 1987 für die königliche Flotte gelieferte Wagen trägt den Codenamen "Lady Norfolk" und hat eine normale Dachhöhe. Beide sind heute noch bei den Royal Mews im Einsatz.
Zunehmende Schwierigkeiten bei der Beschaffung kleinerer Fahrgestell- und Karosserieteile, die in der Silver-Cloud-Ära hergestellt worden sind, beenden schließlich die Produktion des Phantom VI. Das letzte von einem Kunden in Auftrag gegebene Exemplar wird im Mai 1991 ausgeliefert; zu seinen 117 Sonderausstattungen gehört eine massive silberne Obstschale, die auf dem Schrank hinter der Trennwand angebracht ist und von versteckten Magneten gehalten wird.
In den 23 Jahren seines Lebenszyklus werden nur 374 Phantom VI gebaut. Das allerletzte Exemplar, das fertiggestellt wird, ist ein Landaulette in Schwarz und Rot, mit rotem Leder vorne und rotem Samt im hinteren Bereich. Ursprünglich will Rolls-Royce den Wagen selbst behalten, aber der Druck der Rezession veranlasst das Unternehmen schließlich 1993, sich von ihm zu trennen.
Der Phantom VI ist das letzte Rolls-Royce-Modell mit traditioneller Karosseriebauweise. Er stellt sowohl den Höhepunkt als auch den Abgesang der traditionellen Karosseriebaukunst dar, bis Rolls-Royce mehr als zwei Jahrzehnte später in Goodwood mit dem "Sweptail" eine Renaissance dieser Art des Karosseriebaus einleitet.