Ist der dicke Range mit starkem Plug-in-Hybrid ein wahrhaft königliches Vergnügen?
Extrem schwer, extrem groß, extrem edel und extrem unvernünftig - mit Political Correctness braucht man diesem dicken Range Rover nicht kommen, es sei denn, man ist King Charles persönlich. Bekanntermaßen stand dessen Mutter, die Queen, ja besonders auf Range Rover und fuhr diese Kisten gelegentlich sogar selbst. Grund genug, dem Mythos mal auf den Grund zu gehen.
Bei all dem heutigen Premium-Hype steht eine Marke stets über allem Gerede: Range Rover. Wo sich andere Hersteller mit viel Aufwand bemühen, irgendwie ein Stück vom Premium-Kuchen abzubekommen, spielt die britische Nobelmarke schon seit dem ersten Range von 1970 in dieser Liga. Und DER Range Rover als Top-Modell ganz besonders. Dabei kommt er als Einziger ohne zusätzliche Modellbezeichnung aus.
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Zur Erinnerung: Land Rover hat seine Modellpolitik jüngst geändert und aus den einzelnen Modellen allerhand Submarken hervorgebracht. Land Rover ist quasi die Übermutter, mit den Töchtern Range Rover, Defender und Discovery. Die Submarke Range Rover beherbergt die Modelle Evoque, Velar, Sport und … eben Range Rover. Eigentlich wäre unser Testwagen also ein Land Rover Range Rover Range Rover. Alles klar? Man stelle sich die Typenbezeichnung am Heck vor … So weit, so unübersichtlich.
Glücklicherweise dürfen wir seine Lordschaft einfach Range Rover nennen. Das Du fällt uns angesichts seiner stattlichen Gestalt und seines herrschaftlichen Nimbus schon schwerer. Irgendwie strahlt der dicke (sorry, my Lord) Brite eine derartige Überlegenheit aus, dass man schon fast in Ehrfurcht versinken möchte.
Aber nur fast, denn wir von Motor1 lassen uns auch von dieser Durchlauchtheit nicht von unseren harten Testkurs abbringen. Als erstes stellen wir fest, dass sich selbst diese ungreifbare Legende den heutigen Regeln unterwerfen muss und daher statt eines standesgemäßen V8 einen modernen Plug-in-Hybriden unter der Haube hat. Ansonsten trägt der in wirklich klassischen Belgravia Green lackierte Range die noble Ausstattung HSE.
Dieses Schlachtschiff als SUV zu bezeichnen, wäre wohl Majestätsbeleidigung. Geländewagen passt aber ebenso wenig zur noblen Erscheinung, auch wenn er die Fähigkeiten eines solchen locker besitzt. Aber egal, wie wir es nun nennen, das Auto ist groß. Sehr groß!
Nicht alleine die über fünf Meter Länge sind schwer beeindruckend, vor allem die lichte Höhe von 1,87 Metern wirkt ziemlich gewaltig und matcht nebenbei exakt die Größe des Autors. Die Breite beträgt weit über zwei Meter und sorgt in Autobahnbaustellen oder Parkhäusern schnell für feuchte Hände.
Die aktuelle Generation des Range Rovers verfügt über eine bemerkenswert cleane Optik, vor allem am Heck, zieht aber mit einigen Akzenten trotzdem gekonnt den Bezug zur Historie. Ich persönlich finde dieses Design, das gleichermaßen wuchtig und elegant auftritt, absolut gelungen. Aber ich mag auch große Autos. Trotz seiner Größe und Wuchtigkeit wirkt der Range aber nicht protzig.
Die Proportionen stimmen, auch wenn alles eine Nummer größer ist als gewohnt. Hätten Sie beispielsweise angesichts der Bilder vermutet, dass die schönen, aber eher unauffälligen Felgen die gewaltige Größe von 22 Zoll aufweisen? Eben! Und die Leuchtgrafiken der LED-Scheinwerfer sind alleine ein Kunstwerk für sich.
Angesichts der schieren äußeren Größe überrascht der Range Rover im Innenraum mit erstaunlich wenig Platz. Zumindest auf der Rücksitzbank, wo der Knieraum enttäuschend früh knapp wird. Hier macht sich die stabile, aber altertümliche Bauweise mit Starrrahmen negativ bemerkbar.
Das ist aber auch schon fast der einzige Grund zum Meckern. Vorn überzeugt der Range mit viel Bewegungsfreiheit nach allen Seiten. Zudem gibt es Sitze im Clubsesselformat, die in allen Himmelsrichtungen verstellbar, klimatisierbar und auch massierbar sind. Auch hinten wird beheizt, gekühlt und elektrisch verstellt. Der Aufpreis für diese Herrlichkeit ist mit 1.400 Euro gar nicht mal so unverschämt.
Das kann die Meridian-Musikanlage deutlich toppen, die zwar sehr gut klingt und mit ihren Shakern in der Rückenlehne auch den Oberkörper gut durchknetet, aber mit knapp 5.500 Euro Aufpreis schon irgendwie den Rahmen sprengt. Also nach den Maßstäben eines Normalverdieners zumindest.
Im Kofferraum möchte man eigentlich wohnen, so groß und edel ist er. Mit mindestens 818 Litern Fassungsvermögen bleibt kein Transportwunsch offen. Wunschlos glücklich kann der Fahrer mit der zweigeteilten Klappe aber nicht sein, denn der nach unten klappende Teil verlängert die Ladefläche unnötig, sodass man nur schwer an weiter hinten liegende Gegenstände herankommt. Den Sinn dieses Features habe ich schon beim BMW X5 nicht verstanden, außer dass man gut darauf sitzen kann. Sehr gut hingegen ist das geräumige Unterflurfach, wo auch die Ladekabel ihren Stammplatz finden.
Die neueste Generation des PIVI-Infotaimentsystems ist bereits aus anderen Modellen bekannt und fügt sich mit dem klaren, reduzierten Design nahtlos in das Interieur ein. Der leicht gebogene und dadurch sehr edel wirkende, 13,1 Zoll große Touchscreen ist sehr gut ablesbar und überzeugt mit einer gestochen scharfen Grafik. Das sehr umfangreiche System ist recht gut bedienbar, verliert aber durch seine edel wirkende monochrome Optik einiges an Übersichtlichkeit. Wichtige Funktionen muss man schon manchmal länger suchen.
Die große digitale Instrumententafel kann verschiedene Grafiken abbilden, bleibt aber stets - wie das ganze Fahrzeug - dezent in ihrer Wirkung. Grelle Grafiken und Farben sucht man hier vergebens. Das gilt leider auch für die Abbildung der Smartphone-Navigation in der Instrumententafel und im sehr großen Head-up-Display. Hier kann nur das bordeigene Navi abgebildet werden, das aber nicht von der übersichtlichsten Sorte ist.
Sehr gut hingegen ist die Möglichkeit, mit nur zwei Tastendrücken am großen Lenkrad das zuvor konfigurierte Assistenz-Setup abzurufen. So sind Tempopiepser und Spurhalter im Nu ausgeschaltet. Wobei Tastendruck eher euphemistisch ist, denn statt echter Tasten leistet sich Range Rover den Fauxpas, unglaublich wackelige und schlecht zu bedienende Touchfelder am Lenkrad zu installieren. Schlechter kann das nur noch Mercedes …
Der Range Rover P550e bezieht seine Kraft aus der Kombination von kräftigem Turbo-Sechszylinder Benziner und ebenfalls nicht gerade schwächlichem Elektromotor. Den 460 PS des drei Liter großen Reihensechsers fügt die E-Maschine noch 218 PS hinzu, sodass in Summe 550 PS verfügbar sind. Das Systemdrehmoment liegt mit 800 Nm ebenfalls weit über der Norm, sodass trotz des stattlichen Gewichts sehr beachtliche Fahrleistungen möglich sein.
Von Null auf Hundert wuchtet sich der Range in glatten fünf Sekunden und klingt dabei angesichts dieser Mühe recht zornig. Erst bei 242 km/h ergibt sich der Antrieb den stürmenden Elementen. Der Boost der E-Maschine ist stets spürbar, auch wenn das ziemlich unentschlossene Automatikgetriebe öfter mal mit unmotivierten Schaltmanövern genau in den Boost-Moment reingrätscht. Der Extra-Schub ist übrigens auch bei leerer Batterie stets verfügbar.
Egal, zum Rasen ist dieser Klotz sowieso nicht gemacht, eher zum entspannten Gleiten. Und das beherrscht Sir Range exzellent. Locker und fluffig beschleunigt dieses Schlachtschiff aus allen Lebenslagen und bleibt dabei sehr leise. Bei dieser Fahrweise bekommt man auch den Verbrauch wieder in einen halbwegs erträglichen Bereich. Werte um 12 l/100 km sind auch bei leerer Batterie möglich.
Wenn man es eilig hat, können es auch schon mal deren 18 werden. Angaben zum elektrischen Verbrauch verheimlicht uns das System konsequent. Wohl aus Gründen, denn trotz knapp 32 kWh fassendem Akku kommt man rein elektrisch keine 70 Kilometer weit. Aua. Hier macht sich das immense Gewicht negativ bemerkbar. Schon unbeladen wiegt der Range Rover fast 2,8 Tonnen, um dann vollbeladen mit 3.480 Kilogramm haarscharf am LKW-Führerschein zu kratzen.
Das hohe Gewicht merkt man natürlich auch in Kurven. Trotz der Luftfederung neigt sich der Range in schnellen Kurven deutlich, auch im Sportmodus. Trotzdem ist es erstaunlich, wie leichtfüßig sich dieses schwere Gefährt im Normalbetrieb anfühlt. Solange man diesseits der Fahrphysik bleibt, fährt man das Ding locker mit einer Hand. Das sollte den Fahrer aber nicht verleiten, zu hemdsärmelig in schnelle Kurven zu gehen, denn wenn die Trägheit und die Zentrifugalkraft zuschlägt, dann bei diesem Brocken mit Macht.
Was dieses Auto mit Bravour beherrscht, ist das Thema Komfort. Das ist natürlich per Genetik auch seine Kernkompetenz und der Range enttäuscht hier nicht. Über das geringe Geräuschniveau haben wir schon gesprochen, aber auch in Sache Federung gibt es momentan wohl kaum etwas Flauschigeres. Alle Unebenheiten werden kommentarlos einfach vernichtet, als ob sie nie dagewesen wären.
Das absolute Highlight lieferte der edle Range auf einem wirklich schlechten Feldweg ab, auf dem vor uns ein VW Passat im Schritttempo von Huckel zu Huckel humpelte. Mit dem Range schossen wir einfach vorbei und merkten - genau nichts! Was dieses Auto im Gelände kann, konnten wir mangels Gelegenheiten nicht ausführlich testen, aber alles, was wir an Offroad probierten, prallte an ihm ab wie blöde Sprüche an der Londoner Palastwache.
Noch ein Wort zu den Assistenzsystemen. Diese machen ihren jeweiligen Job mit typisch britischem Understatement. Auf keinen Fall auffallen und im Zweifel lieber nichts tun, scheint hier die Devise. Der Spurhalter gibt schon bei leichten Autobahnkurven auf und das riesige Lenkrad wieder in die Hände des Piloten. Der Abstandstempomat funktioniert ganz gut, aber eher bedächtig.
Zudem hat er offenbar Probleme mit der Erkennung von unüblichen Gefährten vor ihm, was uns in einem Stau aufgrund eines leeren Autoanhängers vor uns eine deftige Schrecksekunde bescherte. Solche banalen Gefährte werden vom edlen Sir wohl einfach nicht wahrgenommen. Probleme hatte wohl auch das adaptive Fahrlicht, denn dieses agierte extrem unruhig und funkelte teilweise wie ein Weihnachtsbaum.
Wollen wir wirklich über den Preis reden? Oder besser: müssen wir? Denn das Kapitel tut weh. Schon alleine die Unterhaltskosten sind angesichts des Verbrauchs und der Versicherungseinstufungen erheblich. Zuvor muss man das Dickschiff aber erstmal erwerben, und dem steht der Grundpreis von 169.000 Euro entgegen. Unser gut, aber nicht voll ausgestatteter Testwagen brachte es bereits auf 187.000 Euro. Mehr als 200K sind locker drin.
Darf man bei einer derart adligen Herrlichkeit überhaupt von Konkurrenz reden? Oder schwebt der Range nicht einfach über solchen weltlichen Dingen? Egal, wir vergleichen! Ein Mercedes-Benz GLS, den es erstaunlicherweise nicht als PHEV gibt, kostet als Benziner mindestens 132.912 Euro, hat dann aber auch einen schönen V8 unter der Haube. Der BMW X7 als M60i und 530 PS kostet mindestens 137.000 Euro und ist ebenfalls deutlich preiswerter.
Der Range Rover bietet aber neben der sehr guten Ausstattung etwas, was all seine Konkurrenten gern hätten: Eine echte Ausstrahlung und den Nimbus, etwas ganz Besonderes zu sein. Unbezahlbar!
Er wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Mit seiner britischen Noblesse, der selbstbewussten Zurschaustellung von Luxus bei gleichzeitigem Understatement und dem scheinbaren Schweben über allen Dingen hat der Range Rover mit heutigen Problemen wie Downsizing, Parkplatznot oder Effizienz nichts am Hut. Groß, dick, schwer und luxuriös steht er seinen Mann (in diesem Fall nehme ich mir die Freiheit dieser Formulierung) und wirkt wie ein Fels in der Brandung.
Dass er sich trotzdem mit dem Plug-in-Hybrid ein kleines Feigenblatt leistet, ist irgendwie inkonsequent. Viel besser steht ihm der dicke V8, den es glücklicherweise in den beiden Top-Versionen immer noch gibt. Kostet dann halt noch mehr, ist dann aber eigentlich auch egal.