Unterwegs in der sechsten Generation des Bestsellers
Dasselbe in Grün. So unkte der Volksmund anno 1924 über den Opel 4 PS, einer Kopie des Citroën 4 CV, wegen seiner grünen Lackierung meist "Laubfrosch" genannt. Fast hundert Jahre später befindet man sich mit den Franzosen unter einem Konzerndach und es gibt wieder ähnliche Stimmen: Der neue Opel Corsa F sei ja nur ein Peugeot 208 im anderen Gewand. Zweifelsohne teilen sich beide Kleinwagen die gleiche Plattform, doch ihre Kleider unterscheiden sich markant voneinander. Und außerdem macht es der Volkswagen-Konzern seit Jahrzehnten auch nicht anders: Ob VW Polo, Seat Ibiza oder Audi A1, alle kommen sie aus der gleichen Küche, aber anders gewürzt.
Der Audi A1 liefert mir ein gutes Stichwort, denn mich erinnert der neue Opel Corsa spontan an den A1, was Rüsselsheim als Kompliment auffassen sollte. Vorbei sind die Zeiten des etwas unharmonischen Corsa E im vanartigen Design: Die Dachlinie des Corsa F verläuft 48 Millimeter niedriger, der Fahrer sitzt um 28 Millimeter tiefer. Um das gleiche Maß wächst der Radstand, die Gesamtlänge des Fahrzeugs beträgt 4,06 Meter. Insgesamt wirkt das neue Modell wie aus einem Guss. Zwar kommt der Corsa F sachlicher daher als der Peugeot 208, allerdings keineswegs langweilig. F wie formidabel.
Wüste Designexperimente verbieten sich von selbst, schließlich hat Opel seit 1982 gut 13,7 Millionen Corsa verkauft. Und selbst im ersten Halbjahr 2019 war der auslaufende Corsa E mit knapp 140.000 Exemplaren das meistverkaufte Opel-Modell in Europa. Sehen wir uns den künftigen Corsa genauer ab: Mit einem praktischen Griff öffnet die Heckklappe und gibt eine verbreiterte Öffnung als bislang frei. In den Kofferraum passen 309 bis 1.081 Liter, das ist klassenübliches Niveau. Schade nur, dass es keine variablen Ladeboden gibt, so bleibt innen eine tiefe Kante übrig.
Beim Corsa F folgt Opel dem Trend in der Kleinwagenklasse und bietet ihn nur noch fünftürig an. Schon von außen erkenne ich aber, dass die hintere Tür recht schmal ist. Und tatsächlich muss ich beim Einstieg auf mein Hinterteil achten, um nicht anzuecken. Das Platzangebot im Fond kann als ausreichend bezeichnet werden. Wer aber häufiger zu viert fährt, sollte sich eher mit einem Crossland X oder Astra beschäftigen.
Auch im Cockpit führt sich dieser Trend fort: Eng ist es hier nicht, aber doch relativ kuschelig. Da ich privat einen aktuellen Seat Ibiza fahre, sei an dieser Stelle ein spontaner Vergleich gestattet: Dort ist es sowohl links als auch rechts von mir deutlich luftiger. Allerdings übertrifft der neue Corsa den Ibiza in Sachen Materialauswahl locker, selbst ein Audi A1 liegt in dieser Hinsicht höchstens auf Augenhöhe. Bei der Bedienung unterscheidet sich der Corsa konservativ positiv vom Peugeot 208: Ein bis zu 10 Zoll großer Touchscreen in der Mittelkonsole und ab Januar 2020 optional ein digitales 7-Zoll-Instrumentendisplay. Letzteres erscheint mir aber verzichtbar, wirkliche Pluspunkte bietet die Darstellung nicht. Investieren Sie das gesparte Geld lieber in die Klimaautomatik (310 Euro), da die Bedienelemente recht tief angeordnet sind.
Betrachten wir uns das Motorenangebot im neuen Opel Corsa: Los geht es mit einem 75 PS starken Saugbenziner, darüber rangieren zwei 1,2-Liter-Turbobenziner mit 100 und 130 PS. Auch einen 1,5-Liter-Diesel gibt es, er ist aber eher für Märkte in Südeuropa interessant. Hinzu kommt, dass er nur 20 Newtonmeter mehr Drehmoment liefert als der stärkste Benziner.
Für meine erste Testrunde schnappe ich mir den Corsa mit 100 PS. Oder um mit der Opel-Werbefigur Jürgen Klopp zu sprechen: "The Normal One", die goldene Mitte. Zu Recht dürften die meisten Kunden diesen Motor wählen. Zwar nicht brutal rasant, aber ausreichend flott beschleunigt die Maschine den um bis zu 108 Kilogramm leichteren Corsa. Fleischige 205 Newtonmeter liegen ab 1.750 Umdrehungen an, 9,9 Sekunden auf 100 km/h sind ein vorzüglicher Wert. Elastisch ist der Benziner auch: 9,5 Sekunden braucht er im fünften Gang von 80 auf 120 km/h. Laut werden die 100 PS nie, der typische Dreizylinder-Klang ist gut gedämpft. Auch bei Tempo 130 kann ich mich problemlos mit meinem Beifahrer unterhalten.
Serienmäßig ist eine feinfühlige Sechsgang-Schaltung an Bord, optional ist auch eine Achtgang-Automatik lieferbar. Sie kostet jedoch satte 1.760 Euro Aufpreis.
Serie ist sie hingegen im stärksten Benziner mit 130 PS, den es vorerst nur in der sportlich ausgerichteten Variante "GS Line" gibt. Quasi eine Art GSi Light mit diversen optischen Akzenten und einem Sport-Modus. Vielleicht auch bedingt durch die Automatik kann sich der Corsa GS Line nicht so sehr vom normalen Corsa mit 100 PS absetzen: minus 1,2 Sekunden beim Sprint auf 100 und plus 14 km/h in der Höchstgeschwindigkeit.
Positiv fällt mir bei allen Corsa F die direkte Lenkung und das harmonische Fahrwerk auf. Selbst mit 17-Zöllern respektive als GS-Line rollt der Kleinwagen komfortabel ab, erst ganz böse Straßenschäden werden akustisch mitgeteilt.
Los geht es beim 100-PS-Corsa mit der Ausstattung "Edition" für 17.530 Euro. Hier ist der Mehrwert aber überschaubar. Pluspunkt: Jeder Corsa F hat serienmäßig eine automatische Gefahrenbremsung, einen intelligenten Tempomat mit Verkehrszeichenerkennung und einen Spurhalte-Assistenten an Bord. Schön übrigens: Die Gratisfarbe ist ein ansehnliches "Power Orange". Lohnenswert ist die Variante "Elegance" mit LED-Scheinwerfern, Mittelarmlehne vorne, 16-Zoll-Alus, Klimaanlage und sieben Zoll großem Multimedia-Radio. Per Android Auto oder Apple CarPlay kann hier bereits die Navigation erfolgen. Wer unbedingt ein Werksnavi möchte, ist mit mindestens 800 Euro dabei. Ich würde Ihnen, liebe Leser, aber andere Extras ans Herz legen: Das IntelliLux-LED-Matrixlicht (700 Euro), Park & Go (650 Euro) mit Parkpiepsern vorne wie hinten und 180-Grad-Rückfahrkamera sowie Totwinkelwarner, die Klimaautomatik, Lenkrad- und Sitzheizung (350 Euro) und den "Active Drive Assist" (450 Euro) mit adaptivem Tempomat.
Macht unter dem Strich 21.990 Euro. Wo steht die Konkurrenz? Sehen wir uns die Grundpreise mit rund 100 PS und Klimaanlage an. Seat Ibiza (95 PS): 18.070 Euro. VW Polo (95 PS): 18.265 Euro. Peugeot 208 (100 PS, gleicher Motor wie im Corsa): 17.950 Euro. Audi A1 Sportback (95 PS): 20.300 Euro. Sie sehen: Kleinwagen sind teuer geworden. Der Opel Corsa bleibt aber fair.
Dasselbe in Grün? Von wegen! Opel hat beim neuen Corsa die PSA-Technik meisterhaft verpackt. Man kann sich in ihm sehen lassen. Besonders gelungen sind Fahrwerk und Lenkung. Kritikwürdig ist lediglich das mäßige Platzangebot. Grün wird einzig die künftige "Opelisierung" sein: Im Frühjahr 2020 kommt der elektrische Corsa-e auf den Markt, im gleichen Jahr feiert der neue Mokka seine Weltpremiere, den es auch rein elektrisch geben wird. Und 2021 debütiert der neue Astra mit einer elektrifizierten Variante.