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Opel Olympia (1935-1940): Ein Technik-Pionier wird 90

Er war das erste deutsche Großserienfahrzeug mit selbsttragender Ganzstahlkarosserie

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Heutzutage weisen praktisch alle neuen Autos eine selbsttragende Karosserie auf. Das war nicht immer so: In den ersten Jahrzehnten des Automobils sind Fahrgestell und Karosserie voneinander getrennt. Sehr zur Freude unabhängiger Karosseriebauer, die meist aus dem Kutschenbau kamen und jede gewünschten Aufbau verwirklichen können.

Das ändert sich erst in den 1930er-Jahren. Vorreiter in Deutschland ist der Opel "Typ Olympia" von 1935. Vor genau 90 Jahren begründet er die moderne, zeit- und kostensparende Automobilproduktion. Denn der Opel Olympia ist der erste deutsche Großserienwagen mit selbsttragender Ganzstahlkarosserie und ermöglicht in der Fertigung die Einführung der so genannten "Hochzeit" - ein Konzept, das Technik-Geschichte schreibt und die Zukunft der automobilen Massenfertigung bis heute prägt.

Opel Olympia (1935-1940)

Im Zeichen der Ringe

Das Jahr 1935 beginnt für die Automobilwelt mit einem Superlativ: Opel enthüllt im Vorfeld der im Jahr darauf stattfindenden Olympischen Spiele auf der Berliner Automobilausstellung den "Typ Olympia" 1,3 Liter. Im April geht das innovative Modell in Serienfertigung - zunächst als Cabrio-Limousine und bald darauf auch mit geschlossenem Blechdach.

Das Außergewöhnliche am Olympia ist nicht nur, dass er in der Folgezeit als erstes Auto per Luftschiff über den Atlantik nach Südamerika fährt, vielmehr ist er das erste in Deutschland in Großserie produzierte Fahrzeug mit selbsttragender Ganzstahlkarosserie, wofür Opel ein Patent anmeldet und erhält.

Plastisch ausgedrückt sind Karosserie und Chassis wie die Elemente eines Flugzeugs zu einer selbsttragenden Struktur verschmolzen. Dieses technische Konzept markiert den Bruch mit der bis dato herkömmlichen Bautechnik in der Automobilproduktion. Die Vorteile des damals revolutionären und heute selbstverständlichen Bauprinzips sind vielfältig.

Das Metallgerippe der selbsttragenden Karosserie besteht aus Profilträgern, die wie im Flugzeugbau miteinander verbunden sind und eine geringere Masse mit sich bringen. Mit einem Leergewicht von nur 835 Kilogramm wiegt der neue Olympia bei gleicher Motorisierung 135 Kilogramm weniger als sein auf einem Profilchassis basierender Vorläufer. Die Folge ist eine Steigerung der Fahrleistungen bei gleicher Motorisierung sowie ein reduzierter Verbrauch.

So wird der Olympia nicht nur zur seinerzeit sparsamsten Serienlimousine in ihrer Leistungsklasse, sondern auch zur schnellsten: Der anfangs 18 kW (24 PS) starke 1,3-Liter-Motor beschleunigt das Gefährt auf eine Spitzengeschwindigkeit von 95 km/h. Dabei benötigt der Olympia im Schnitt 9,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer.

Weitere Neuerungen: Der Schwerpunkt des Autos liegt rund 15 Zentimeter tiefer als beim alten Opel 1,3 Liter - bei fast unveränderter Bodenfreiheit. Für ein stabiles, sicheres Fahrverhalten sorgt außerdem die komfortable Opel-Synchron-Federung. Das Ergebnis aller Maßnahmen beschreibt der Rüsselsheimer Hersteller so: "Selbst mit hoher Geschwindigkeit kann man in die Kurve gehen, der Olympia ist kurvensicher."

Bei einem Radstand von 2,37 Metern und einer Gesamtlänge von nur 3,95 Metern ist der Olympia zudem sehr wendig. Der hohe Anspruch, den Opel an das neue Modell stellt, wird auch von Fachmagazinen bestätigt. In der Zeitschrift "Motor und Sport" ist zu lesen: "Die Fahrleistungen sind für einen 1,3-Liter-Wagen sehr beachtlich und setzen den Führer des Wagens in die Lage, sehr ansehnliche Reisedurchschnitte zu erzielen."

Neue Bauweise bringt mehr Sicherheit und Komfort

Doch nicht nur die vorbildliche Leistung und Straßenlage machen den Olympia zum perfekten Reisemobil der 1930er Jahre, auch sein Innenraum überzeugt mit komfortbetonten und zugleich praktischen Qualitäten. "Die Polstersitze sind mit Cord bezogen, die Rücklehnen der Vordersitze lassen sich vorklappen, die Hintersitze sind in Breite und Tiefe so günstig bemessen, dass man volle Bewegungsfreiheit hat und auch dadurch keine Fahrstrapazen spürt", lautet die zeitgenössische Beschreibung.

Die Konstruktion der selbsttragenden Karosserie "aus einem Guss" erhöht darüber hinaus die Sicherheit der Passagiere: Das Dach ist aus einem zusammenhängenden Stück Stahl gefertigt und gibt dem Auto weitere Stabilität; im Bereich des gabelförmigen Frontprofils absorbiert eine Sollbruchstelle bei einem Auffahrunfall einen Teil der Aufprallenergie - die Vorläufer von steifer Fahrgastzelle und Knautschzone sind somit geschaffen. Formschön ist das neue Modell außerdem: So integriert der Olympia erstmals die Scheinwerfer in die Karosserie.

Startschuss für die moderne Automobilproduktion

Die selbsttragende Ganzstahlkarosserie macht aber nicht nur das Auto leichter, sicherer und komfortabler, sie erst ermöglicht (von der damaligen Opel-Mutter General Motors gefördert) die moderne Fahrzeugfertigung in Großserie, die in den Jahrzehnten darauf in allen Automobilwerken weltweit zum Standard wird: die so genannte "Hochzeit" zwischen Karosserie und Aggregaten.

Diese Produktionsart feiert - in der Folge ebenfalls patentiert - vor 90 Jahren Premiere. Zum ersten Mal werden die komplett vormontierten Achsen und Motoren nicht mehr ins aufbaulose Chassis geschraubt, sondern über hydraulische Hebetische in die von oben an Förderketten herbeigeführten Karosserien hineingehoben.

Der gesamte Produktionsablauf geht so schneller und effizienter vonstatten - wirtschaftliche Vorteile, die in Form eines günstigen Preises auch an die Kunden weitergegeben werden. Die zweitürige Olympia-Limousine und die zweitürige Cabriolet-Limousine sind ab 2.500 Mark zu haben und unterbieten damit das 1,3-Liter-Vorläufermodell um satte 350 Mark.

So hat Opel neben dem Verdienst, mit dem Olympia auf einen Schlag die Fahrzeugkonstruktion und den Produktionsablauf revolutioniert zu haben, 1935 einen weiteren Grund zum Feiern: Als erster deutscher Automobilhersteller übertrifft die Marke bei der Jahresproduktion die 100.000-Fahrzeuge-Grenze.

Opel Olympia in der Luft und im Film

Opel weiß den Olympia entsprechend in Szene zu setzen: 1936 geht der Olympia als erstes Auto im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft. Im Bauch des berühmten Luftschiffs LZ 129 Hindenburg schwebt der 500.000ste Opel seit Aufnahme der Automobilproduktion bis nach Rio de Janeiro.

Nach nur drei Tagen Flugzeit und 10.000 zurückgelegten Kilometern landet die Hindenburg mit dem Olympia an Bord in der südamerikanischen Metropole. Die begeisterten Brasilianer feiern die Ankunft und begleiten die Rundfahrt des Olympia durch die Straßen Rios mit großem Jubel. Ein Opel Olympia schafft es somit höher und weiter hinaus als je ein Auto zuvor.

Zu einem in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Protagonisten wird der Olympia auch rund elf Jahre später: Im Spielfilm "In jenen Tagen" wird 1947 die Geschichte des vergangenen Jahrzehnts symbolisch aus Sicht des Opel Olympia und seiner vielfältigen Erlebnisse erzählt. So wird das Modell zur zentralen Figur des Films. Die unkonventionelle Erzählweise überzeugt und der Film findet in der Folge über die Landesmedienanstalten sogar Eingang in die Schülerbildung.

Die Erfolgsgeschichte des Olympia setzt sich zugleich unvermindert fort: 1947 beginnt mit dem Olympia die Nachkriegs-Autoproduktion bei Opel. Den Namen Olympia tragen nachfolgende Opel-Modellgenerationen noch bis 1970.

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