Elektroantrieb und autonomes Fahren: Die Pläne von BMW
München, 5. Dezember 2016 - "Manchmal steigt BMW-Chef Harald Krüger hinab in den Bauch von BMW", erzählt Konzernsprecher Maximilian Schöberl. Und so kam der Chef auch einmal in die Taunusstraße 41, wo seit zwei Jahren Zukunftsforschung betrieben wird. Es ist nur ein bescheidener Keller in einer Nebenstraße, aber es handelt sich um eine höchstwichtige Adresse. Denn hier entstehen die Prototypen der elektrifizierten Antriebe von BMW. Deshalb war Krüger der Ansicht, dass man da mal Journalisten hinbringen müsste. So waren wir vor Ort und haben uns erklären lassen, was die Münchner planen, nicht nur in puncto Elektroautos und Plug-in-Hybride, sondern auch zum autonomen Fahren.
20 Prozent Elektroautos im Jahr 2025
Der Elektroantrieb hat weiter hohe Priorität bei BMW. Zwar erwarten die Münchner für das Jahr 2025 nur einen Anteil von 20 Prozent für Elektroautos und Plug-in-Hybride, der große Rest wird auf Diesel und Benziner entfallen. Aber BMW will beim E-Antrieb weiter Gas geben. Seit dem Start des i3 im Jahr 2013 wurden 100.000 Autos mit elektrifiziertem Antrieb verkauft (darunter 60.000 i3, 30.000 Plug-in-Hybride und 10.000 i8). Genauso viele elektrifizierte Autos wie in den letzten drei Jahren will man nun im Jahr 2017 verkaufen. "Und Sie können sicher sein, dass ich die einzeln zählen werde", sagt Krüger.
Künftig flexible Plattformen
Da aber die BMW-Glaskugel noch nicht so genau zeigt, wie stark die Elektro-Nachfrage sein wird, setzt BMW auf Fahrzeugplattformen, bei denen sowohl konventionelle Antriebe, als auch Elektroantrieb oder ein Plug-in-System möglich sind. Dazu ist es nötig, die Komponenten so klein wie möglich zu machen. Der Verantwortliche für alle diese Komponenten ist Stefan Juraschek. Er zeigt, wie das aussehen kann: Leistungselektronik, Elektromotor und Getriebe werden in ein gemeinsames Gehäuse gepackt. So ein Elektropaket ist etwa 100 Kilo schwer und dürfte sich auf zwei mal zwei nebeneinandergelegten DIN-A4-Blättern abstellen lassen. Man kann es auf eine Achse packen oder auf zwei. Dann noch eine Batterie rein, und fertig ist das Elektroauto.
BMW baut die meisten Komponenten selbst
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Man muss die Technik gut verstehen, um bei Elektroautos mitmischen zu können, glaubt BMW. Einfach in Asien E-Motoren und Batterien aufkaufen reicht nicht, deshalb haben die Münchner selbst Kompetenz aufgebaut und bauen die meisten Teile selbst, darunter die E-Motoren und die Batterien. Nur die einzelnen Batteriezellen werden bei Samsung gekauft, aber auch da weiß man in München gut Bescheid. "Da arbeiten 50 Mann dran", verrät Juraschek. Schließlich ist nicht Zelle gleich Zelle. Da gibt es welche, die schnell Energie aufnehmen und wieder abgeben können. Solche Leistungszellen sind ideal für Plug-in-Hybride (PHEVs, Plug-in Hybrid Electric Vehicles). Und es gibt welche, die können besonders viel Energie speichern - wichtig für reine Elektroautos (BEVs, Battery Electric Vehicles).
Austauschbare Module
Etliche Zellen zusammen ergeben ein Modul, und nur diese lassen sich austauschen - wenn eines mal kaputt gehen sollte. Die Kosten belaufen sich dann auf ein paar hundert Euro, statt gleich ein paar tausend, wenn die ganze Batterie gewechselt werden müsste. Letzteres ist meist nur nötig, wenn die Akkus zu stark gealtert sind - die Kapazität nimmt jedes Jahr um ein Prozent ab, dazu kommt die Alterung durch die Zahl der Auf- und Entladezyklen. BMW nimmt alte Batteriepakete zurück und verkauft sie mitsamt Ladeelektronik an einen Hersteller von Stromspeichern für Haushalte oder Betriebe.
Das Schnellladen nicht übertreiben
Was das schnelle Laden angeht, gibt es nach Juraschek Grenzen - sonst altert die Batterie vorzeitig. Bei BEVs sollten es maximal 2C sein, bei PHEVs vielleicht 4C. Dabei steht C für die Kapazität der Akkus in Kilowattstunden, beim i3 mit der neuen Batterie sind es zum Beispiel rund 30 Kilowattstunden. Nach der 2C-Daumenregel sollte man ihn höchstens mit 60 Kilowatt aufladen. So sieht die schnellste Ladeoption für den i3 eine Ladeleistung von 50 Kilowatt vor. Nach 40 Minuten stehen dann wieder 80 Prozent der Kapazität zur Verfügung. Die Ladeleistung hängt jedoch nicht damit zusammen, mit wieviel Volt das Elektroauto intern arbeitet, erklärt Juraschek. BMW setzt auf 400 Volt, das reiche aus. Auch die Komponenten sind dann günstiger.
Die Pläne bis 2021
Und wie geht es bei den Elektrofahrzeugen von BMW weiter? BMW-Chef Krüger nennt ein paar Stationen: 2017 kommt eine Plug-in-Version des Mini Countryman, 2018 der i8 Roadster. Für 2019 startet der Mini mit reinem Elektroantrieb in Großserie, ein Jahr später gefolgt vom Elektro-X3. Nochmal ein Jahr später, also 2021, kommt dann der Nachfolger des i3, den BMW als iNext bezeichnet.
Autonomes Fahren
Der iNext ist auch Träger des zweiten Zukunftsthemas, das BMW in dem Münchner "Technologiekeller" vorstellt: das autonome Fahren. Der zuständige BMW-Experte Thomas Büttner erklärt zunächst die verschiedenen Stufen des autonomen Fahrens. Level 1 bedeutet "Feet off", also Füße weg. Das kennen wir vom Abstandstempomaten, der Gasgeben und Bremsen übernimmt, ein alter Hut. Level 2 ist derzeit Stand der Technik: "Hands off", also Hände weg. Der Wagen übernimmt dabei auch das Lenken, zumindest zeitweise. Der iNext soll Level 3 erreichen. Auch das ist noch nicht vollautonomes Fahren, sondern nur "Eyes off", also Augen weg. Der Fahrer muss dabei das Steuer nur dann übernehmen, wenn es ihm der Wagen sagt. Stufe 4 ist "Mind off", also etwa "Aufmerksamkeit weg". Erst Stufe 5 ist "Without driver", also ohne Fahrer und damit vollautonom.
Den Polizisten vom Fußgänger unterscheiden
Die Augen des (teil)autonomen Fahrzeugs sind Videokameras, Laserscanner und Radarsensoren, das Gehirn ist ein Rechner, der derzeit noch den Kofferraum eines 7er bis auf den letzten Kubikzentimeter ausfüllt. Was der Computer leisten muss, macht Büttner an ein paar Beispielen deutlich. "Es reicht nicht mehr, Fußgänger zu erkennen, man muss auch die Kopfdrehung erkennen." Diese kann anzeigen, dass der Passant das Auto gesehen hat. Bei BMW gibt es auch ein eigenes Team, das sich mit der Erkennung von Polizisten beschäftigt. Schließlich wäre es fatal, wenn das Auto einfach an einem Beamten vorbeifährt, der mit ausgestreckten Armen in der Mitte der Kreuzung steht. An Zebrastreifen muss das Auto eine Prognose machen, ob der Fußgänger nur zufällig dort steht oder ob er im nächsten Augenblick auf die Straße läuft.
Ist der Computer der bessere Fahrer?
Noch sind längst nicht alle Autobesitzer von der Notwendigkeit des autonomen Fahrens überzeugt. Ist nicht ein konzentrierter Mensch immer besser als ein Computer? Büttner hält mit zwei einfachen Feststellungen dagegen: Erstens sterben in den USA jeden Tag so viele Leute im Straßenverkehr, wie in einen Jumbo-Jets passen. Und zweitens sind Fahrfehler die Ursache von 90 Prozent der Unfälle. Das heißt: Der Mensch ist nicht so gut, wie manche glauben. Das Auto kann es besser. Es muss es besser können. "Wir launchen nicht, bevor wir besser sind als der Mensch", so Büttner.
Fatale Alternativen
Und was macht das autonome Auto, wenn es die Wahl hat, zum Beispiel einen Fußgänger auf der Straße zusammenzufahren oder einen Abhang hinunterzufahren? "Es nimmt die Energie aus dem System", sagt Büttner. Das heißt: Es bremst, so gut es geht. Denn: "Es ist einfach nicht prognostizierbar, was passiert, wenn wir die Böschung runterrauschen. Vielleicht läuft unten gerade ein Fußballspiel, und das Auto erfasst dort 40 Menschen."
Die Zukunft des Automobils ist digital
Wie wird also die Zukunft des Autos aussehen? Seine Vision erklärt Jens Monsees, der BMW-Verantwortliche für das Thema Digitalisierung: Man klickt auf dem Handy das Auto an, das man fahren möchte, zum Beispiel einen X5 für die Fahrt zum Ikea. Es kommt autonom zur eigenen Wohnung, man holt das Regal und anschließend fährt der X5 zum nächsten Kunden. Das löst auch das Problem, dass in vielen Innenstädten zwei von vier Spuren durch parkende Autos belegt sind. In der City wird es zunächst eigene Spuren für autonome Fahrzeuge geben, glaubt Monsees. Dort wird der Verkehr besser fließen, als auf den anderen, wo noch menschliche Fahrer am Steuer sitzen. Die "Congestion Zone" von London wird zur autonomen Zone.
Fahrspaß nur am Wochenende?
Und wo bleibt bei alldem die "Freude am Fahren"? Schafft sich BMW mit dem autonomen Fahren nicht selbst ab? "Manche sagen, gehen Sie auf die Rennstrecke", kommt als Antwort. So weit würden die BMW-Forscher aber nicht gehen. "Doch die Leute in Städten wie Berlin nutzen ihr Auto unter der Woche sowieso nicht, sagen die Experten, die bewegen den Wagen nur am Wochenende." Manchmal hat man den Eindruck, das Zeitalter des Autos, wie wir es kennen, geht zu Ende. Zumindest wird so mancher klassische "Petrol Head" umdenken müssen.