Mehr Leistung und Reichweite für das bayerische Elektro-Raumschiff. Fährt grandios, bleibt beim Laden Durchschnitt
Seit seiner Premiere vor gut viereinhalb Jahren sorgt der BMW iX für pikierte Blicke und gerümpfte Nasen. Zumindest unter unter dem Großteil der Menschen, die ihre Augen auf ihn richten (müssen). Seit nahezu dreieinhalb Jahren tut er dies auch ganz offiziell im Straßenverkehr. Seit Ende 2021 kann man ihn erwerben und trotz seiner fragwürdigen Optik erwies er sich seitdem in den meisten Märkten als Verkaufserfolg.
Ein seltener Beweis dafür, dass den Kunden die Hülle zumindest nicht ganz so wichtig ist, wenn der Inhalt überzeugt. Und das tat er beim iX bisher zu ganz großen Teilen. Jetzt gibt es den üblichen Life Cycle Impuls, sprich: das große Facelift zur Mitte des Modellzyklus.
Selbiges schraubt eher semi-erfolgreich am Aussehen des großen SUVs/Vans/fahrenden Wohnzimmers, kümmert sich in erster Linie aber um das Problem, das selbst große, teure, luxuriöse Elektroautos piesackt, wie kein anderes: den technischen Fortschritt. Beim iX sorgt nun eine ganze Reihe an Tech-Upgrades für teils erhebliche Verbesserungen bei Effizienz, Reichweite und Leistung.
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Gerade im Angesicht der Neuen Klasse, die schon in den Starlöchern steht, und den einstigen Pionier iX technologisch ziemlich alt aussehen lassen dürfte, war es wichtig, nochmal ordentlich aufzusatteln. Einen Nachfolger für den lautlos rollenden Lounge-Bereich werden wir ohnehin nicht sehen. Zumindest nicht in dieser Form. Wie beim i3 und i8 hat man ihm eine gänzlich eigene, sündhaft teure Carbon-Struktur gegönnt. Aluminium kommt auch in rauen Mengen vor. Nichts davon teilt er sich mit dem X5/X6 oder X7. Das wird es so nicht nochmal geben.
Interessant: Mit der Modellpflege kriegen alle iX neue Namen. Die teils immensen Leistungssteigerungen machten da wohl die Herrschaften vom Marketing hellhörig: Statt xDrive40, xDrive50 und M60 heißen sie nun xDrive45, xDrive60 und M70.
Wie bisher haben alle drei iX-Varianten Allradantrieb und verwenden ausschließlich stromerregte Synchronmotoren. Die Gründe für die gestiegene Reichweite sind unterschiedlich: Bei der Basisversion xDrive45 speichert eine neue Batterie erheblich mehr Energie, nämlich 94,8 statt 71,0 kWh netto. Möglich wurde dieser Sprung um rund 30 Prozent durch eine neue Batteriezellen-Technologie. Zudem steigt die Leistung des Einstiegsmodells von 240 auf 300 kW.
Hier sind offiziell nun 490-602 WLTP-Kilometer möglich. Der Sprint von 0-100 km/h verkürzt sich um genau eine Sekunde auf 5,1 Sekunden. Die höhere Systemleistung hat aber offenbar nichts mit den Motoren zu tun, denn diese sind mit 190 kW vorne und 200 kW hinten sogar schwächer als bisher (200 bzw. 250 kW).
Bei den beiden stärkeren Modellen steigt die Akku-Kapazität hingegen nicht oder kaum. Beim xDrive60 wächst sie geringfügig um 0,5 auf 109,1 kWh. Gleichzeitig steigt die angegebene Reichweite von maximal 633 auf 701 Kilometer. Hier macht sich die gesteigerte Effizienz bemerkbar, die BMW durch neue Siliciumcarbid-Inverter, reibungsoptimierte Radlager sowie Reifen mit dem Effizienzlabel A+ optimiert. Die Systemleistung steigt von 385 auf 400 kW.
Die Topversion M70 hat mit 108,8 kWh seltsamerweise eine minimal andere Speicherkapazität als der xDrive60. Hier sind nun maximal 600 km statt 563 km möglich. Der Antrieb bietet nun 485 statt 455 kW. Das maximale Drehmoment liegt bei 1.015 Nm, beziehungsweise 1.100 Nm bei aktivierter Launch Control.
Die Einstiegsbatterie kann nun mit maximal 175 statt 150 kW geladen werden. Bei der großen Batterie ändern sich Ladeleistung, Ladezeiten und Ladegeschwindigkeiten nicht wesentlich (nach wie vor sind maximal 195 kW drin). Erwähnenswert: die mittlere Version kann nun serienmäßig mit bis zu 22 kW Wechselstrom laden, die Basisvariante zumindest optional. Beim M-Topmodell ging das schon bisher.
Das Fahrwerk wurde an die gesteigerte Antriebsleistung und die veränderte Gewichtsverteilung angepasst, so BMW. Die Topversion hat nach wie vor serienmäßig ein Luftfahrwerk, bei den günstigeren Varianten gibt es die Luftfeder optional.
Richtig interessant wird es dann nochmal beim Blick auf die Preise. Auf der einen Seite wird der Einstieg mit dem xDrive45 deutlich teurer - statt 77.300 Euro werden nun 83.500 Euro fällig. Allerdings erhält das Auto auch einen wesentlich größeren Akku und spürbar mehr Dampf. Auf der anderen Seite fallen die Preise bei den beiden stärkeren Varianten erheblich: Der mittlere xDrive60 kostet statt 107.900 Euro "nur" noch 99.900 Euro, für das Topmodell M70 sinkt der Preis von 143.100 auf 124.900 Euro, also um über 18.000 Euro.
Zugegeben, der "Ach du liebe Güte"-Effekt beim Betrachten der iX-Front hat durch die Kosmetik-Maßnahmen an der Modellpflege ein wenig abgenommen. Die bulligere Gestaltung des vorderen Stoßfängers in Kombination mit der etwas ruhigeren XL-Niere und der neuen Scheinwerfer-Grafik (lehnt sich bereits an den Neue Klasse-Look an) hilft, ohne dass das Auto dadurch plötzlich zur Schönheitskönigin mutiert.
Als neue Option kommt eine Konturbeleuchtung des Grills hinzu, die im BMW i7 debütierte und sich nun allmählich über die ganze Modellpalette ausbreitet. Am Heck wurde die Schürze ebenfalls neu gestaltet. Der M70 sowie das M-Sportpaket bieten einen integrierten Diffusor.
Die zwei bürgerlichen Varianten rollen serienmäßig auf 20-Zöllern, der M70 auf 22-Zöllern. Neuerdings sind sogar 23-Zöller für den iX erhältlich. Dürfte der Reichweite nicht unbedingt zuträglich sein, macht aber natürlich mehr her. Die Radgrößen 22 und 23 Zoll werden mit Reifen mit integrierten Schaumstoffabsorbern zur Geräuschdämmung ausgeliefert.
Das Äußere des BMW iX mag die Gemüter erhitzen, aber es dürfte wenig Zweifel geben, dass die Kabine dieses Autos ein Meisterwerk ist. Mehr Lounge-Atmosphäre werden Sie derzeit außerhalb eines Flughafens oder 5-Sterne-Hotels kaum finden.
Wobei es schon ein bisschen darauf ankommt, wie man sein iX-Interieur konfiguriert. Bei meiner letzten Fahrt in einem Vorfacelift-Modell fand ich den komplett schwarz gehaltenen Innenraum etwas nüchtern. Auch die einsame, kleine Platte aus offenporigem Holz in der Mittelkonsole wirkte ein wenig verloren.
Obwohl sich mit dem Facelift innen gar nicht all zu viel geändert hat, fühlte ich mich in den neuen Testwagen mit M-Sportpaket und üppiger Polsterung mit grauem Leder und Alcantara wie im siebten Himmel. Ein weiterer Ambiente-Booster ist das neue, nun runde Lenkrad statt der seltsam geformten Eigentümlichkeit, mit der man bisher zu fahren versuchte. Die Sitzposition hat ein bisschen was von Busfahrer, ist aber zweifelsfrei saubequem.
Wie Sie vielleicht wissen, war der iX das erste Modell mit BMWs Curved Display, das inzwischen durch sämtliche Baureihen fest etabliert ist. An Form und Größe hat sich nichts geändert, allerdings hält mit dem Facelift das Operating System 8.5 Einzug. Es bietet unter anderem eine optimierte Sprachsteuerung, Video-Streaming und In-Car-Gaming. 5G-Mobilfunkantennen ermöglichen eine optimierte Vernetzung.
Auch wenn der iX innen recht futuristisch und clean daherkommt, vertraut er bei der Bedienung weiterhin auf altbekannte Stärken. Ob per Dreh-Drück-Steller, Sprachsteuerung oder Berührung - es funktioniert alles sehr zufriedenstellend. Ein BMW-Nachteil ist sicher, dass die Einstellung der Rekuperation nur umständlich im Untermenü des Infotainmentsystems erfolgen kann. Ein weiterer kleiner Malus beim Test: Das Navi brauchte ziemlich lange, um eine Probe-Route von Barcelona nach Hamburg inklusive Ladestopps zu berechnen. Da war die Google-Suche zuletzt in mehreren anderen Testwagen deutlich schneller.
Geklotzt statt gekleckert wird beim iX dagegen im Bezug aufs Raumangebot: Fondpassagiere leben in diesem Auto wie die Könige. Mehr geht nicht. Und ganz offensichtlich hatte das Wohlbefinden der Passagiere bei der Konstruktion dieses Autos einen deutlich höheren Stellenwert als das ihres Gepäcks. 500 bis 1.705 Liter sind für ein Schiff dieser Größe ausbaufähig.
Ein Wort noch zum Qualitätseindruck: Ich weiß, der iX hat ein exklusives Preisschild und man sollte deshalb erwarten können, dass man halbwegs feudal in ihm hausen kann. Zumindest war das mal so. Betrachtet man andere deutsche Premiumhersteller, ist die Relation zwischen Kaufpreis und Innenraumqualität zuletzt nicht mehr wirklich gegeben gewesen.
BMW spielt dieses Spiel glücklicherweise nicht mit. Die verwendeten Materialien machen im Großen und Ganzen einen sehr sehr guten Eindruck. Das ist mit dem sehr weichen, dicken Leder in den Türen, den soliden Griffen und Schaltern und den üppig bepolsterten Sitzen deutlich besser als alles, was man derzeit bei der deutschen Konkurrenz bekommt. Aber selbst hier könnte BMW an manchen Stellen wie den Sitzrückseiten oder den Fensterheber-Tastern sicher noch besser werden.
Zum Test bereit standen die beiden stärkeren iX-Modelle xDrive60 und M70. Trotz eines gehörigen Leistungsdeltas von 106 PS und gut 250 Nm fühlen sich beide beim initialen Tritt ins Gaspedal relativ gleich an und damit meine ich: ziemlich geisteskrank schnell. Beide sind verblüffend gut darin, ihre immense Kraft verzögerungsfrei auf die Straße zu bringen.
Eine Art Leitungsentfaltung gibt es nicht wirklich, wer voll ins Gas latscht, wird gebeamt. Das hat allerhöchstes Flauer-Magen-Potenzial und Dinge mit scharfen Kanten sollte der Beifahrer auch nicht unbedingt halten, weil sie ihm bei maximalem Vortrieb so gut wie sicher vor Schreck aus der Hand schießen werden.
Ansonsten zeigt auch der überarbeitete iX die typischen Paradoxon-Anzeichen großer, schwerer, halbwegs hoher Elektro-Gefährte. Er bewegt sich in Kurven doch recht stacksig und mit etwas fester, ungelenker Lenkung, tut das alles seltsamerweise jedoch mit der Straßenlage und den Kurvengeschwindigkeiten eines waschechten Sportwagens.
Jetzt denken Sie sich dazu bitte noch die riesige Windschutzscheibe, das metertiefe Armaturenbrett, die plüschig-flauschigen Fernsehsessel (Tipp: die M-Stühle bestechen trotz ihrer Gediegenheit mit circa 20-mal so viel Seitenhalt wie die bisherigen Couchen) sowie Hans Zimmers 80s-Sci-Fi-Sounduntermalung mit rein und jede Reise im iX fühlt sich an wie ein interstellarer Missionsflug.
Das ist absolut positiv gemeint, eine Art Reisen 2.0, wenn Sie so wollen. Dazu passt auch der phänomenale Federungskomfort, den dieser BMW an den Tag legt. Wie gesagt, er kann ja verdammt flott und irritierend sportiv ums Eck, wenn er muss. Aber der Star in seinem Luxus-Kader ist eindeutig der Fahrkomfort. Der iX federt, als hätte man ihm eine Jahresproduktion Nike Airmax unter den massigen Leib gesteckt. Obendrein sorgen die erwähnten Schaum-Reifen für absolute Ruhe im Karton. Beeindruckend.
Falls Sie noch an meinen Bordcomputer-Testverbräuchen interessiert sind: mit dem xDrive60 erzielte ich beim Rollen durch die Stadt einen Schnitt von 14,7 kWh. Auf der Autobahn bei 100 bis 120 km/h waren es 22,5 kWh. Auf einer gut 70 Kilometer langen Route, die sowohl Stadtverkehr, Autobahn als auch ein Viertel sehr sportlich gefahrener Serpentinenstraßen beinhaltete, waren es 27 kWh.
Die Optik des BMW iX bleibt auch nach dem Facelift gewöhnungsbedürftig. Zudem wird ihm seine Ladegeschwindigkeit von maximal 175 oder 195 kW mehr und mehr zum Verhängnis. Aktuell schlägt er sich gegen die EQ-SUVs von Mercedes hier noch gut, aber je mehr Konkurrenzprodukte mit 800-Volt-Technologie auf den Markt kommen, desto stärker gerät er hier ins Hintertreffen.
Der Vorteil, den BMWs Elektro-Raumschiff hat: Das ist - zusammen mit dem etwas kleinen Kofferraum - so ziemlich die einzige Schwäche, die man ihm ankreiden kann. Der iX hat einen grandiosen Innenraum mit maximalem Verwöhnaroma, er ist entsetzlich schnell, fahrdynamisch überraschend talentiert, wahnsinnig komfortabel und er scheint auch effizienter mit dem Strom umzugehen als bisher. Für mich im klassischen Bewertungsschema eine 8,5 von 10.